INTERVIEW
Seine Firma Crusta Nova betreibt mit einem Zuchtvolumen von mehr als 30 Tonnen im Jahr die größte Indoor-Salzwassergarnelen-Aquakulturanlage in Deutschland. Die fangfrischen, bayerischen Bio-Garnelen finden nicht nur bei Münchens Sterneköchen reißenden Absatz.
Lieber Fabian, Du bist Gründer und Geschäftsführer von Crusta Nova, der größten Indoor-Garnelenzucht von Pacific White Shrimps in Europa mit Sitz in Langenpreising im Landkreis Erding. Wie kommt man zu so einem Business?
Durch Zufall: Als Jurist war ich damals gerade auf dem besten Weg in eine Kanzlei, habe an meiner Doktorarbeit geschrieben - und war ganz und gar nicht auf der Suche nach einer Geschäftsidee! Doch ich saß eines Tages mit einem Freund zusammen, der mit dem Gedanken spielte, Krebse zu züchten. Spannend! Wir haben genau überlegt und analysiert, wie man das angehen könnte. Ich recherchierte Menükarten und kam zu dem Schluss, dass Krebse zwar bei Feinschmeckern beliebt sind, aber selten auf der Karte stehen. Dann stolperte ich über einen Artikel in der New York Times über einen texanischen Professor, der sich mit Landbased Indoor Shrimp-Farming beschäftigte und dachte nur: ein Riesenmarkt! In jeder erdenklichen Küche spielen Garnelen eine Rolle - in der deutschen, französischen, italienischen oder asiatischen Küche, als Vorspeise, im Salat oder als Suppeneinlage. Garnelen sind das wichtigste Seafood der Welt - und gleichwohl haben sie oft eine fragwürdige Qualität.
Inwiefern?
Die meisten Garnelen kommen aus Aquakulturen in Asien und Südamerika, die wenigsten entstammen dem Wildfang. In den Kulturen herrschen oft fragwürdige Bedingungen - sowohl für die Menschen, die dort arbeiten, als auch für die Tiere. Da lässt man das Wasser ab und die Tiere sterben an der Luft, sie werden mit Antibiotika behandelt oder aufgespritzt, um sie schwerer zu machen. Artgerechte Haltung sieht anders aus! Anschließend werden die Garnelen blockgefroren und exportiert. Etwa sechs bis sieben Monate später kommen sie nach Deutschland. Die weiterverarbeitenden Betriebe hierzulande tauen sie auf und frieren sie nach der Verarbeitung wieder ein. Erst dann kommen sie in den Einzelhandel und in die Gastronomie. Ich dachte mir, das muss doch besser gehen. Warum züchtet man das Tier nicht da, wo es auch konsumiert wird?
Wie wurde dann aus der Idee ein Business?
Wir haben diesen Professor aus Texas angerufen, der von uns und unserem Vorhaben angetan war. Monatelang ging es hin und her mit E-Mails, NDAs und Lizenzthemen - die Sache wurde zunehmend unrealistischer. Wir setzten uns letztlich mit deutschen Experten zusammen und entwickelten unser eigenes Gesamtkonzept mit Businessplan. Wir durften unser Vorhaben im Landtag präsentieren und erhielten als erstes Projekt in Bayern Fördergelder für Innovationen in der Aquakultur. Wir fanden auch schnell einen Partner aus der Lebensmittelindustrie, der heute Mitgesellschafter ist und kauften das Grundstück, wo wir die Halle bauten. Ein perfekter Standort in der Nähe des Münchener Flughafens übrigens, direkt an der Autobahn mit Potenzial, nach oben zu skalieren.
Wie groß seid Ihr heute?
Wir züchten auf 1.900 Quadratmetern gut 30 Tonnen Garnelen pro Jahr. Das sind mehr als eine Million Garnelen pro Jahr!
Wie unterscheidet sich so eine Indoor-Zucht von den natürlichen Bedingungen?
Der natürliche Lebensraum der Garnele ist das Meer. Sie ernährt sich von Algen, Muscheln, Schalen und Nährstoffen aus dem Meeresboden. Natürlich wäre es, diese Tiere abzufischen, einzufrieren und zu exportieren. In unserer Aquakultur haben wir zwar keine Mangrovenwälder, aber eine Zuchtatmosphäre, in der sich die Garnele wohl fühlt und wir genau wissen, was im Becken vorgeht. Der Stoffwechsel unserer Garnelen ist sehr gut. Wir geben bestes Futter aus Weizen, Erbsen, Fischmehl aus nachhaltiger Quelle und Sepia. Denn das Futter hat großen Einfluss auf den Geschmack der Garnele. Nach der Tötung gelangen die Tiere in kürzester Zeit zum Kunden - per Overnight Express nach Deutschland und Österreich. So ist die Garnele in weniger als einem Tag beim Kunden.
Gibt es denn auch eine artgerechte Tötung?
Ja, und zwar ohne, dass das Tier Qualen leiden muss. Wir geben die Garnelen in ein Becken mit Gleichstrom. Die Tiere erleiden keinen Schock sondern schlafen langsam ein. Aus dieser Betäubung heraus sterben sie. Der beste Kompromiss, den es in so einem Fall geben kann.
Wie lange lebt so eine Garnele?
Die Garnelen brauchen Zeit und Raum, um zu wachsen. Und den geben wir ihnen: Nach vier bis fünf Monaten fischen wir sie ab. In Asien geht es deutlich schneller. So eine Garnele kann je nach Gattung in der freien Natur ein bis zwei Jahre leben. Es gibt mehr als 5.000 verschiedene Garnelenarten. Wir haben uns für die White Pacific Garnele entschieden - einer Salzwassergattung mit sehr hohem Qualitätsstandard, die nicht so sensibel reagiert, wie andere.
Stichwort Nachhaltigkeit: Wie muss man so eine Indoor-Anlage unter Umweltgesichtspunkten einschätzen?
Der Clou an unserer Technologie ist der in sich geschlosseneWasserkreislauf. 99 Prozent unseres Wassers wird wiederverwendet. Wir reinigen es biologisch, ohne Chemie, und schonen die Ressourcen. Die Halle ist zudem bestens gedämmt, so dass wir auch wenig Energie verbrauchen und wirtschaftlich sehr nachhaltig arbeiten können.
In der Lebensmittelindustrie gibt es doch sicher eine Menge Auflagen und lange Genehmigungsprozesse?
Wir haben die Behörden von Anfang an involviert. Aber auch für sie war unser Geschäft Neuland, bislang hat noch nie jemand eine Garnelenzucht in Deutschland betrieben. Das zuständige Landratsamt, die Veterinärbehörde und das Umweltministerium haben sich sehr intensiv mit uns eingearbeitet. Wenn es um Lebensmittel geht, ist die Genehmigung sehr komplex. Wir arbeiten zudem im Ultra-Frische-Bereich. Heißt: Die Garnele wird auch roh, zum Beispiel im Tartar, zubereitet. Da sind strenge Hygiene-Vorschriften das A und O in Zucht und Verarbeitung. Wir legen darauf sehr großen Fokus und letztlich hafte ich auch dafür als Geschäftsführer.
Auch für Dich als Unternehmer war das Business Neuland. Was gab Dir die Kraft, das durchzuziehen?
Man muss schon ein bisschen verrückt sein, um so etwas zu tun. Ein Schritt vor, einer zurück. Wir sind heute mit einem hochkomplexen Geschäftsmodell erfolgreich - und das macht mich stolz. Lange Zeit war das Thema aber mehr ein Projekt. Man muss letztlich die Risiken abwägen - persönlich und geschäftlich. Das habe ich getan und wollte es eingehen: Denn ich war überzeugt. Von dem Zeitpunkt an, habe ich nichts mehr in Frage gestellt. Natürlich gibt es schlaflose Nächte und Druck ohne Ende, insbesondere in der Anfangszeit. Ich habe mich selbst sehr gut kennengelernt in dieser Phase, schließlich war ich bei der Gründung erst 29 Jahre alt.
Wo landet Eure bayerische Garnele auf dem Teller?
In vielen Restaurants in Deutschland und Österreich - von Sternerestaurants, über große Hotels, bis hin zu Landgasthöfen, Fisch- und Steakrestaurants. Auf unserer Homepage kann man sich genau informieren, wen wir beliefern. Das geht von den Skigebieten in Kitzbühel und Lech, bis rauf nach Sylt. Köche mit hohem Anspruch an sich selbst, arbeiten mit unserer Garnele.
Kann man Eure Garnelen auch als Verbraucher kaufen?
Selbstverständlich! Hier in München etwa bei Käfer, am Elisabethmarkt, am Viktualienmarkt sowie im Lebensmittelhandel bei Edeka, HIT, Karstadt und im Frische-Paradies am Schlachthof. Auch über unseren Online-Shop kann man sich Garnelen nach Hause liefern lassen - im Raum München sogar am gleichen Tag. Viele Kunden haben unseren Newsletter abonniert und bestellen oft zum Wochenende. Wir haben gemeinsam mit dem Weingut Emil Bauer aus der Pfalz einen eigenen Wein dazu entwickelt. Der passt hervorragend und kann gleich im Paket mitgeliefert werden.
Tolles Angebot! Wo liegt Eure bayerische Garnele preislich?
Die Wettbewerbsbandbreite am Garnelenmarkt ist riesig - dementsprechend auch die Preisspanne. Das geht los bei den Discountern und hört auf, bei den Gourmet-Fischtheken. Unsere Garnele rangiert preislich im oberen Drittel, ist aber mit Sicherheit nicht die teuerste. Der Preis pro Kilogramm liegt zwischen 65 und 80 € - je nach Saison und Vertriebskanal.
Für den Verbraucher zählt leider oft nur der Preis. Warum sollte er trotzdem auf eine gewisse Art von Garnele lieber verzichten?
In der Garnelenindustrie wird viel Geld verdient. In Thailand oder Vietnam ist es einer der größten Industriezweige. Aber unser europäischer Qualitätsanspruch gilt andernorts nicht unbedingt. Denkt man an die hygienischen Zustände oder die Sozialstandards, die oft an Sklaverei grenzen. Der Konsument weiß davon meist nichts und kauft die Katze im Sack! Außerdem geht es auch um die Natur: Mangrovenwälder werden abgeholzt. Shrimpteiche können ähnlich wie unsere Äcker auch nur eine bestimmte Zeit genutzt werden und müssen irgendwann weiterziehen. So hinterlässt die Garnelenindustrie ganze Landstriche mit versalzenen Böden. Man sollte daher auf zertifizierte Garnelen aus nachhaltiger Zucht achten oder gleich auf die bayerische Garnele setzen!
Ihr seid stark in der Spitzengastronomie vertreten. Gab es einen Door-Opener?
Roland Trettl, der ehemalige Küchenchef vom Hangar 7 in Salzburg, hat uns sehr unterstützt. Er war einer der ersten, der unsere Garnele probiert hat. Er drehte den Kopf ab, ließ den Schwanz liegen und zuzelte den Kopf aus. Danach sagte er nur: Fantastisch! Denn der Geschmack der Garnele sitzt im Kopf. Aber auch Eckart Witzigmann hat früh probiert und unsere Garnele zu Hause in verschiedenen Zubereitungen rauf und runter gekocht. Wir arbeiten mit jüngeren Köchen wie etwa dem Drei-Sterne-Koch Jan Hartwig aus dem Bayerischen Hof, mit Sternekoch Alexander Huber oder mit Anton Schmaus, dem Koch der Fußballnationalmannschaft. Für uns ist es eine riesen Ehre, wenn Köche mit derart hohen Ansprüchen, uns als Züchter anerkennen.
Könntest Du den Geschmack Eurer Garnele von anderen unterscheiden?
Auf jeden Fall. Der intensive Geschmack handelsüblicher Tiefkühlgarnelen kommt daher, dass die Tiere schon lange tot sind. Viele Konsumenten haben das Geschmacksbild dieser alten aufgetauten Garnelen im Kopf. Unsere Garnele hat einen unvergleichlichen Frischegeschmack. Auch die Textur von frischen Garnelen ist eine andere.
Interessant. Wechseln wir zum Menschen Fabian Riedel: Wenn man sich beruflich mit so einer Thematik beschäftigt, dann achtet man sicher auch im Alltag auf das Thema Nachhaltigkeit?
Das hat sich im Bewusstsein eingeprägt. Ich bin wählerisch geworden und achte im Supermarkt auf Innovationen und interessante Konzepte. Denn auch wenn man das vermuten mag, bin ich nicht täglich im Fine-Dining unterwegs. Natürlich habe ich durch die Garnelenzucht mehr Berührungspunkte. In Kulmbach etwa gibt es das Projekt „Genussnetz Bayern“ - das wird von der Staatskanzlei getragen und soll das Profil Bayerns als Genussland schärfen: Wir sind eben mehr als Leberkäse und Schweinswürstel. Hier organisierte der Foodblog Sternefresser kürzlich einen Cook-Tank: Zehn Spitzenköche kochen einen ganzen Tag lang auf höchstem Level - unter anderem mit unserer Garnele. Spannend! Ich liefere mein Produkt und sehe zu, wie der Koch etwas noch viel Besseres daraus macht!
Kommen wir zu Deinem privaten Lifestyle: Wo reist du gerne hin?
Besonders beeindruckend fand ich unsere Reise nach Myanmar zum Inle Lake. Solange man noch ins Land kommt, sollte man da unbedingt hin. Natur und Kultur sind wahnsinnig eindrucksvoll und man kann die Reise vor Ort mit kleinen Fliegern sehr gut planen. Es wird unheimlich viel gebaut, so dass es dort in zwei oder drei Jahren wieder ganz anders aussehen wird. Also schnell hin! Letztes Jahr waren wir in Südafrika: Ein absolutes Muss für Gourmets ist The Test Kitchen in Kapstadt: Man sitzt dort am ersten Teil des Abends in einem dunklen Dark Room und kann sich ganz auf den Geschmack der bis zu 20 Gänge konzentrieren, die auf kleinen Tellern serviert werden. In Stellenbosch empfehle ich die Farm Babylonstoren, die von der ehemaligen Elle-Chefredakteurin nachhaltig betrieben wird. Zum Skifahren bin ich gerne in Lech - mein Paradies, sehr sportlich und kulinarisch erstklassig: In Oberlech empfehle ich das Murmeli, unten das Hotel Krone oder das Hus Nr. 8. In Mats Alpenquartier übernachte ich gern.
Tipps für München?
Ich liebe den Kaisergarten - vor allem im Sommer. Für mich ist auch das Pageou ein erstklassiges Lokal. Samstagmittag empfehle ich für besondere Anlässe das Tantris - dann ist es immer sehr locker und entspannt dort.
Lieber Fabian, herzlichen Dank für dieses informative Gespräch und weiterhin viel Erfolg mit der bayerischen Garnele!
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