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Michael Unger

INTERVIEW

Vor 25 Jahren gründete er mit seinem Bruder Wulf als Quereinsteiger Unger Weine. Heute zählt das Unternehmen zu den Top-Händlern für investmentfähige Spitzenweine in Deutschland. Der Keller in Frasdorf ist gesichert wie ein Banktresor.

Firmensitz in Frasdorf

Der Keller

Die Brüder Michael (r.) und Dr. Wulf Unger

16. Februar 2018

Lieber Herr Unger, wir treffen uns hier bei Ihnen in Frasdorf, weitab deutscher Weinanbaugebiete – und doch zählen Sie zu den erlesensten Weinadressen Deutschlands, als Brand für Edelweine. Was hat Sie und Ihren Bruder 1993 dazu bewogen, als komplette Novizen in dieses Business einzusteigen?

Wir stammen aus einer Unternehmerfamilie. Der Drang, etwas Eigenes zu machen, war eigentlich immer da. Anfang der 90er entwickelte sich ein regelrechter Wein-Boom. In Kalifornien schossen die Weingüter auf den Markt und wir dachten uns: Hört sich gut an. Unser Problem war nur: Wir hatten keine Ahnung und keinen Wein. Wir haben uns dann aber interessiert mit dem Thema beschäftigt und schnell Gefallen gefunden. Die ersten Jahre arbeiteten wir von einem acht Quadratmeter-Büro im Elternhaus. Der erste Erfolg kam dann mit „Essen & Trinken“: Wir sind recht früh an die Zeitschrift herangetreten – und unsere Weinempfehlung aus dem Piemont wurde publiziert. Das Magazin meinte, wir müssen mit etwa 500-600 Bestellungen rechnen – wir hatten gerade einmal 60 Flaschen lagernd. Mein Bruder hat daraufhin einen Kleinlaster gemietet und ist extra nach Italien gefahren, um den Wein zu holen. In der elterlichen Apotheke haben wir die Flaschen in Windelkartons kommissioniert und versandt. Und so ging es weiter und weiter… Seit zehn Jahren haben wir nun den Unternehmenssitz in Frasdorf.

Sie haben von Anfang an hochwertige Weine vertrieben. Gab die Leidenschaft für Wein den Ausschlag oder sehen Sie eher das Investment?

Investment war kein Thema zu der Zeit. Mein Bruder arbeitete damals neben dem Studium bei Börse Online und konnte nur gegen großen Widerstand der Redaktion einen Artikel mit der Headline „Lieber Petrus als Daimler-Aktien“ veröffentlichen. Wie sich die Daimler-Aktie in den letzten 20 Jahren entwickelt hat, habe ich nicht im Kopf. Aber ein Petrus hätte sich definitiv gerechnet.

Thema Bordeaux: 2014 war ein beeindruckender Jahrgang, 2015 noch besser und 2016 soll alles in den Schatten stellen. Wie ist Ihr Eindruck?

Ich bin mehrmals jährlich in Bordeaux und verfolge den Witterungsverlauf vom Jahresanfang bis zur Weinlese. 2016 steht sicher über den Jahrgängen davor, ist aber auch teurer. In dem Jahr gab es einen sensationell guten Witterungsverlauf und gute Erträge. Ich habe bei einigen Gütern bereits im November fertig vergorene 2016er verkostet: Die Weine waren schon fast trinkbar. Wenn man zu so einem frühen Zeitpunkt schon feststellen kann, dass der Wein etwas Großes hat, dann wird er das auch. Das ist wie bei einem guten Stück Filet – man muss schon extrem viel falsch machen, dass es ungenießbar wird. 2016 werden geniale Weine, die aber auch preislich über 2014 und 2015 liegen. Von der Preis-/Leistung her ist 2014 der beste Jahrgang. In zehn, zwanzig oder dreißig Jahren kann man die Betrachtung dann nochmal machen und vergleichen wie sich die Jahrgänge entwickelt haben.

Gibt es schon eine Tendenz für den Jahrgang 2017?

2017 gab es anfangs Frost und Hagel. Da muss man sehen, wie die Erträge ausfallen und wer in welchem Umfang betroffen war. Kompromisse gehen die Weingüter heute nicht mehr ein. Wir sind noch in einem sehr frühen Stadium, aber die Winzer machen einen zufriedenen Eindruck. Insgesamt wird die Qualität wohl besser, als anfänglich vermutet.

Stichwort Subskription. Wie funktioniert das und mit welchem Vorlauf?

Ich muss immer lächeln, wenn befreundete Unternehmer aus der Textilbranche jammern, dass sie ihre Herbstkollektion bereits im Frühjahr bezahlen müssen. Wir bezahlen unsere Weine zwei Jahre im Voraus, haben aber dafür den großen Vorteil, dass wir keinen Schlussverkauf machen müssen. Was wir nicht verkauft haben, bekommen wir in zwei, fünf oder zehn Jahren los und erzielen meist einen deutlich höheren Preis. Die Subskription kommt aus der Historie: Früher haben die Châteaux kaum Geld verdient, die Margen lagen im Handel. Engländer, Belgier, Holländer kauften Fassware und füllten diese dann selbst ab. Die Flaschen durften neben dem Namen des Château ebenso den Namen des Händlers tragen. Die Subskription diente den Châteaux zur Vorfinanzierung. Heute läuft es anders herum. Die Margen für den Handel sind sehr eng geworden, der Gewinn liegt auf der Produzentenseite, das Prozedere der Subskription wurde trotzdem beibehalten. Wir verkosten im April, im Mai-Juni kommen dann die Angebote heraus, der Kunde kann seine Flaschengrößen frei wählen, bezahlt und bekommt seinen Wein zwei Jahre später.

Also wie ein Waren-Termingeschäft?

Der Kunde hat bei uns den Vorteil, dass er schon sehr genau weiß, was er bekommt. Wir haben eine sehr kurze Lieferkette, die hohe Qualität garantiert. Direkt vom Großhändler kommt der Wein zu uns. Außerdem kann der Kunde frei wählen. Wir verkaufen immer in der 12er-Einheit – also 12 Mal 0,75 Liter. Der Kunde kann diese Einheit aber auch in Sonderformaten abfüllen: Also zum Beispiel 24 Mal 0,375 Liter oder Magnum-Flaschen mit sechs Mal 1,5 Liter. Das geht später nicht mehr – ein Vorteil der Subskription. In dem Markt gibt es nur leider auch schwarze Schafe, die die Subskription zur Eigenfinanzierung nutzen. Wir sind einer von wenigen Anbietern weltweit, die jeden Einkauf absichern – in beide Richtungen.

Wie sieht Ihre Klientel aus?

Unser Hauptgeschäft geht an Privatkunden in Europa. Wir sind auch im Family Business-Network, einer weltweiten Organisation von Familienunternehmen. Viele bekannte Unternehmer schätzen die Anonymität unseres Geschäfts. Sie möchten nicht am Tag nach dem Einkauf die Zeitungen und Magazine schmücken. Mit Gastronomie und Hotellerie arbeiten wir ebenso, aber nicht in dem Maße wie mit B2C. Bordeaux ist ein frei handelbares Gut – wir sind daher auch in Nordamerika, Südamerika und Asien sehr aktiv.

Diskretion ist wichtig, aber auch Geschwindigkeit – insbesondere bei Bordeaux-Weinen. Ist das wie an der Börse?

Ganz genau. Im April sind weltweit führende Journalisten und Händler vor Ort zur Verkostung. Dann fangen die Weingüter an, ihre Angebote freizugeben. Die Produzenten warten aber auch einmal ab und schauen, was die Konkurrenz macht. Das führt dazu, dass manchmal bis zu zehn Weingüter an einem Tag auf den Markt kommen, an anderen Tagen kein einziges Château. Die Großhändler sind spezialisiert, so dass man als Importeur immer mit mehreren Unternehmen arbeitet. Da muss man sich schnell entscheiden und wenn dann fünf bis zehn Güter gleichzeitig anbieten, ist das fast nicht mehr zu schaffen. Welcher Wein bei welchem Händler, in welcher Menge? Das ist oft eine Entscheidung von maximal einer halben Stunde – sonst ist der Wein weg.

Zwei Jahre später kommt der Wein dann zum Kunden. Sie verfrachten also richtige Werte. Wie funktioniert das?

Es geht um enorme Werte, die viele Speditionen ungern versichern. Zudem: Was bringt mir das Geld der Versicherung, wenn wir den Wein nicht liefern können? Wir arbeiten mit hochwertigen Speditionen, die mindestens in Zweifachbesetzung fahren. Das sind richtige Sattelzüge, die aus Frankreich ohne Halt durchfahren. Denn Übernachten wäre viel zu gefährlich. Auch die Temperatur ist ein Thema. Wir transportieren ausschließlich temperaturreguliert.

Um Ihren hohen Qualitätsstandard zu halten, reisen Sie mehrfach jährlich in die Weinregionen. Kennen Sie alle Winzer, die Sie im Portfolio haben?

Absolut! Die Reisen sind wichtig, um Kompetenz gegenüber dem Kunden zu haben. Außerdem wählen die Châteaux mehr und mehr ihre Händler selbst aus. Insofern ist ein gutes Verhältnis mit den Gütern für die Zuteilung beim Großhändler entscheidend.

Viermal im Jahr sind Sie in Kalifornien. Sehen Sie sich da neue Weingüter an?

Alle unsere kalifornischen Weine bieten wir exklusiv an. Wenn wir etwas dazu nehmen, dann sehr selektiv. Die Key-Player bleiben die gleichen. Vor Ort verkosten wir neue Jahrgänge und versuchen, Zuteilungen zu erhöhen.

Der Kunde entwickelt sich auch, beginnt vielleicht mit einem Luganer und landet irgendwann im Hochpreissegment. Worauf sollte er achten?

Der Hauptfehler ist: Man kauft anfangs zu viele Weine, die man später nicht mehr trinken möchte. Ich rate daher immer, mit kleinen Mengen zu beginnen, weil man sich ohnehin preislich und qualitativ nach oben entwickelt. Auch das Anspruchsniveau geht nach oben. Es ist daher gut, wenn man einen Händler hat, der einen an der Hand nimmt. Wir stellen für Kunden auch erst einmal eine Auswahl mit X Flaschen zusammen. So bekommt man ein Bild, was ihm schmecken könnte.

Bei Bordeaux-Weinen sind die Deutschen eher markenfixiert – Mouton Rothschild, Latour, Lafite Rothschild, Margaux, Haut Brion. Sollte man als Laie eher in die großen Fünf investieren oder haben kleinere oder unbekanntere Güter auch Entwicklungspotenzial?

Man muss unterscheiden: Geht es mir um den Trinkgenuss oder um ein finanzielles Investment? Beim Genießen zählt die gesunde Mischung, die sich auch durch die finanziellen Möglichkeiten bestimmt. Ich wäre vorsichtig mit Anbietern, die mit Weininvestment hohe Gewinnmargen versprechen. Man sollte Wahnsinnsrenditen nicht zu viel Glauben schenken. So wie die Weine sich seit 1982 entwickelt haben, geht es nicht weiter. Der Wein wurde besser, aber auch teurer. Man muss für guten Wein, gemessen am Durchschnitteinkommen, nicht mehr so viel ausgeben, wie noch 1982. Für vernünftiges Geld bekommt man schon sehr gute Weine. In der Spitze jedoch sind die Weine deutlich teurer geworden. Dazu hat auch der Weinjournalismus beigetragen – allen voran Parker.

Inwiefern?

Der Rechtsanwalt Parker fing 1978 an, über Weine zu schreiben: Was ihm schmeckt, was nicht und dafür vergab er Punkte. Heute ist Parker online, früher war es nahezu eine zusammengeheftete Loseblattsammlung, komplett werbefrei. Parker wollte den Markt nicht beeinflussen, war aber so gut, dass er den Markt massiv verändert hat und für bessere Qualität gesorgt hat. Für Investment würde ich daher empfehlen, auf Marktbewertungen zu setzen, knappe Produkte oder spezielle Formate wie etwa Magnum- oder Doppelmagnum-Flaschen. Wichtig ist auch der Nachweis, dass die Weine korrekt gelagert sind. Wir bieten unseren Kunden seit zwei Jahren einen extrem hochwertigen Lagerservice. Viele kaufen Jahrgänge der Kinder oder zur Firmengründung – wenn die Weine dann reif sind, senden wir sie zu.

Wie entwickelt sich der Genussaspekt?

Ich gebe immer den Tipp: Wenn man in Wein investieren möchte, dann in eine Sorte, die auch zum Trinken Spaß macht. Im Worst Case hat man an dem Wein kein Geld verdient, man trinkt ihn aber gerne selbst. Wir sehen schon den Trend, dass mehr und mehr Leute in Liquid Assets investieren.

Stichwort Champagner: Viele kennen nur die großen Brands wie Moet, Veuve Cliquot oder vielleicht noch einen Krug. Mittlerweile gibt es aber auch viele kleine Winzer, die kein großes Marketing, aber erstklassige Produkte haben. Wie sehen Sie das?

Uns fasziniert das Thema, weil wir auch selbst gerne Champagner trinken. Die großen Marken stellen hervorragende Produkte her, am Tisch hat man damit immer einen Aha-Effekt. Kleinere Winzer haben früher ihre Trauben an diese großen Häuser verkauft. In den letzten zehn Jahren produzieren sie zunehmend selbst, in sensationeller Qualität und zu deutlich günstigeren Preisen. Man kann damit am Tisch zwar nicht so brillieren, wie mit den Prestige-Cuvées, aber qualitativ ist das Oberklasse. Teils werden nur 100.000 Flaschen oder weniger abgefüllt. Zum Vergleich: Allein die Spitzencuvée Dom Pérignon wird in mehreren Millionen Flaschen hergestellt. In so kleinen Abfüllungen kann man individueller arbeiten und die Preise sind deutlich günstiger. Für 30 € bekommt man schon einen richtig guten Champagner! Wir arbeiten exklusiv mit drei Produzenten zusammen: Vilmart, Coutier und Ulysse Collin.

2016 haben Sie einen neuen Weinkeller gebaut?

Wir haben auf 5.000 Quadratmeter und zwei Geschoße erweitert. Ein Kellergeschoß gehört ausschließlich der Kundenlagerung. Für die Lagerung sind vier Kriterien wichtig: Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Erschütterung und Licht. In unserem Keller halten wir konstant die Temperaturen bei 10 bis 12 Grad und einer hohen Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent. Er ist dunkel und erschütterungsfrei. Das geht theoretisch auch in einer Lagerhalle – jedoch deutlich energieintensiver. Kühlen Sie mal so eine Lagerhalle im Sommer herunter! Außerdem finde ich: Keller ist Keller und Wein sollte unterirdisch gelagert werden. Unsere Kunden wissen das sehr zu schätzen!

Sie erwähnten die Anonymität, ähnlich wie bei einer Bank. Wie sicher liegen die Weine bei Ihnen?

So wie bei einer Bank – unser Keller ist nach höchsten VdS-Standards gesichert mit Kameraüberwachungssystemen, Einbruchsicherung von jeder Tür und jedem Fenster, Bewegungsüberwachung sowie direkter Aufschaltung zum Sicherheitsdienst. Unser Lagerkonzept garantiert Anonymität. Bei uns zahlen Sie pro Kiste, nicht für ein Schließfach. In den USA gibt es meist Storage-Systeme. Da bekommen Sie wie in der Bank einen Schlüssel für Ihr Fach. Nachteil ist, wenn sie dann mal eine Kiste mehr haben, als ins Fach passt, dann müssen sie gleich ein neues Fach anmieten. Bei uns ist das egal. Ein weiterer Vorteil unseres Systems: Wenn der Kunde eine Kiste weiterverkaufen möchte, wissen wir gleich, welcher Kunde den Wein eventuell kaufen möchte. Mit unserem Keller möchten wir einen Markennamen setzen, so wie die Nicolas-Keller in Paris. Flaschen mit dem Nicolas-Stempel aus den 40er, 50er oder 60er Jahren, werden schneller verkauft. Da möchten wir mit „Unger Weine – Der Keller“ auch hin. Wir sind 12 Meter unter der Erde, bei konstantem Klima - und wenn der Kunde seinen Wein möchte, bekommt er ihn in perfektem Zustand.

Sie haben viel gesehen und bereist in all den Jahren. Was sind Ihre drei Favoriten für den Besuch in einem Weingut?

Architektonisch gesehen beeindruckt mich im klassischen Stil das Château Montrose in Saint-Estèphe – ein unheimlich schöner Neubau mit klassischen Mitteln. Ein modernes, geschwungenes Gebäude hat das Château Cheval Blanc in Saint-Émilion. In Médoc sollte man das Château Margaux besucht haben. Hier kam erst kürzlich ein sehenswerter Anbau von Norman Foster hinzu. Wer modernes Innenleben sehen möchte, sollte ins Château Cos d'Estournel mit seinen maurisch angehauchten Türen reisen. Mit einem modernen Bühnen-Liftsystem können die Arbeiter hier ganze Tanks rauf- und runterfahren um das so genannte Gravity-Flow System anwenden zu können. Wein soll wenig mechanisch bewegt werden, man nutzt hier die Gravität um den Wein von A nach B zu transportieren. Im Château Latour gibt es auch einen beeindruckenden Neubau. Die haben ihren Keller bis auf Wasserniveau 12 bis 14 Meter heruntergegraben und lagern hier Wein in Flaschen. Die Subskription auf Château Latour wurde mit dem Jahrgang 2012 abgeschafft, der Wein kommt erst später mit der Trinkreife auf den Markt.

Und andernorts?

In der Toskana arbeiten wir mit Monteverro in der Maremma zusammen: Ein tolles Weingut, sehr gute Weine, zudem eine beeindruckende deutsche Inhaberfamilie! In Kalifornien kann man fast alles besuchen. Die sind ganz anders strukturiert, wie die Europäer. Weintourismus gibt es dort schon deutlich professioneller. Vor jedem Weingut stehen Picknickbänke und man holt sich einfach eine Flasche Wein. Das ist in Bordeaux undenkbar. Auch die Restaurants sind dort besser, wobei sich da gerade viel tut in Bordeaux.

Haben Sie eine Restaurant- oder Hotelempfehlung für die Region?

Die absolute Nummer eins in der Hotellerie ist das Les Sources de Caudalie. Auch das Grand Hôtel in Bordeaux gegenüber der Oper kann ich empfehlen. Zum Essen gehe ich gerne ins L’Univerre. Die haben eine phänomenale Weinliste für kleines Geld. In Saint-Émilion empfehle ich das Hotel Hostellerie de Plaisance oder das Les Belles Perdrix im Château Troplong Mondot. Das zweite ist ein Sternerestaurant, wo man schön draußen sitzen kann. Dem Inhaber des Château Pape Clément, Bernard Magrez, gehört ebenso ein kleiner Luxus-Hotelbetrieb mit Gourmetküche. Es tut sich also einiges und man kann die Region wirklich sehr gut kulinarisch bereisen. Bordeaux ist an sich schon eine Reise wert. Für mich zählt die Stadt zu den schönsten der Welt – und mittlerweile kann man sie auch wieder gut erreichen: Die Lufthansa fliegt Direktverbindungen ab Frankfurt, Swiss über Zürich.

Und für Kalifornien?

Absolutes Highlight ist für mich das Resort Meadowood mit unheimlich viel Charme und kleinen Einzelhäusern. Es gibt sogar einen eigenen Golfplatz. Von den Weingütern her, kann man entlang des Highway 29 im Napa Valley eigentlich alles besuchen. Mein Tipp ist eine Verkostung in Bill Harlans Promontory. Historisch gesehen empfehle ich Mondavi, die hier seit 1966 agieren oder auf der anderen Seite Opus One, wo Mouton Rothschild seit 1979 involviert ist.

Was halten Sie vom Burgund?

Sehr viel! Die Region hat eine ähnliche Struktur, wie das Piemont. Die Betriebe sind kleiner und häufig in Familienhand. Es gibt hier mehr Einzelparzellen und Einzellagen. Im Burgund kann man daher innerhalb eines Betriebs leicht einmal 20 bis 30 verschiedene Weine machen – umso schwieriger ist das Thema aber zu verstehen. Bordeauxweine sind immer Cuvées mehrerer Rebsorten. Das hat den Vorteil, dass man die Jahrgänge ausgleichen kann. Im Burgund gibt es nur rebsortenreine Weine, wie Pinot Noir oder Chardonnay. Man ist daher der Witterung stärker ausgeliefert, die sich dann in den Weinen mehr zeigt im Vergleich zu einer Cuvée. In den letzten fünf Jahren verzeichneten Burgund-Weine astronomische Preissteigerungen. Viele sind heute schlichtweg zu teuer und man braucht sehr viel Fachwissen.

Sie haben schon so viele exzellente Weine getrunken. Gibt es für Sie den einen?

Fragen Sie mal einen Familienvater, welches Kind sein Liebstes ist. Kind 1 mag er wegen einem bestimmten Charakterzug, Kind 2 wegen eines anderen. So ist das auch beim Wein. Weißwein beeindruckt mich mit Frische und Balance. Am imposantesten finde ich alte, gereifte Weine, die sich groß und jugendlich zeigen. Bei unserem letzten Weihnachtstasting hatten wir vom Château Malartic-Lagravière eine Fassprobe aus 2016 - und die habe ich dem gleichen Wein aus dem Jahr 1916 gegenübergestellt, also einem 100 Jahre älteren Wein. Die Farbe war nahezu identisch, nur das Trinkerlebnis deutlich komplexer. Beeindruckend.

Abschließend: Sie haben mit vielen interessanten Persönlichkeiten zu tun. Hat Sie jemand besonders beeindruckt?

Bill Harlan in Kalifornien. Der ist mittlerweile an die 80 Jahre und ein echter und beeindruckender Visionär, der mit Herzblut und viel Energie arbeitet. Ich habe sehr viel von ihm gelernt. Er sagt immer, wir seien architektonisch seine Referenz, was zwar schmeichelnd ist, aber nicht die Wahrheit trifft. Und dann wäre auch noch Stephan Graf von Neipperg zu nennen. Der ging 1985 nach Bordeaux und brachte drei, vier marode Weingüter aus dem Familienbesitz auf Weltklasse-Niveau. Er ist dabei ganz authentisch geblieben, genießt gerne und ist bei den Franzosen vor Ort außerordentlich anerkannt – was ganz sicher nicht einfach ist.

Lieber Herr Unger, herzlichen Dank für diese interessanten Einblicke und weiterhin viel Erfolg!

 

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