INTERVIEW
Er leitet das Traditionshaus Dallmayr in fünfter Generation. Uns verrät er mehr über das 300 Jahre alte Münchner Familienunternehmen, das schon immer seiner Zeit voraus war – sei es durch den Verkauf von Bananen, Aceto Balsamico oder als erstes Ladengeschäft mit elektrischer Schaufensterbeleuchtung.
Dallmayr zählt zu den größten Delikatessengeschäften Europas und ist eine der bekanntesten deutschen Kaffeemarken. Das 300 Jahre alte Traditionsunternehmen ist nach wie vor in Familienbesitz. Was waren die Eckpfeiler in der langen Geschichte Ihres Hauses?
Die erste Erwähnung von Dallmayr findet sich im Jahr 1700. Ich bin nun als fünfte Generation am Ruder. Meine Vorfahren, Anton und Therese Randlkofer, haben 1895 das Geschäft von Alois Dallmayr abgekauft und übernommen. Dallmayr war damals schon eine Marke, also behielt man den Namen bei. Anton starb kurz nach dem Kauf und so führte fortan Therese die Geschäfte. Sie achtete stets auf beste Qualität und richtete die Waren schön an - was damals nicht üblich war. Therese hat auch schon früh auf Marketing gesetzt und sich einige Titel als Hoflieferant erarbeitet: Wenn bei uns die Höfe einkaufen, dann muss das auch für andere ein Signal sein, wusste sie damals.
Sie waren nicht nur königlich bayerischer Hoflieferant sondern versorgten auch andere Königshäuser?
Das ging bis nach Neapel, wohin wir damals Austern lieferten. Zu den Zeiten ging das noch, heute würden wir solche Austern wohl nicht mehr überleben… Aber im Ernst: Man kann Austern auf Eis haltbar machen, es bedarf nur der richtigen Organisation. Zudem wurde der Kaiserhof in Berlin von uns beliefert sowie viele europäische Fürstentümer. Diese Referenzen funktionierten wunderbar. Therese konnte durch ihren unternehmerischen Erfolg Schritt für Schritt die Nachbarhäuser hinzuerwerben und das Ladengeschäft erweitern. Das ist insofern eine besondere Leistung, da Frauen zu den damaligen Zeiten offiziell als nicht geschäftsfähig galten. Meine Vorfahrin hat das krachend widerlegt.
1933 kam dann der nächste Eckpfeiler in der Geschichte des Unternehmens…
Die Weltwirtschaftskrise war auch für uns eine schwierige Zeit. Was konnte man machen, um das schleppende Geschäft anzukurbeln? Kaffee war die Antwort meiner Vorfahren. Sie stellten einen Kaffeekaufmann aus Bremen ein und bauten die Kaffeeabteilung auf. Das war der Vater meines heutigen Kompagnons, Wolfgang Wille. Mit dem Kaffee waren wir früh dran, galt das Getränk doch in der Zeit als besonders erfolgversprechend. Generell waren und sind wir oft Vorreiter mit dem, was wir auf den Markt bringen: Wir handelten den ersten Aceto Balsamico in Deutschland und die ersten Bananen in München. Wir waren auch das erste Ladengeschäft mit elektrischer Schaufensterbeleuchtung – was uns eine Kutscherdemo bescherte. Die Kutscher dachten, das Licht würde die Pferde verstören. Am Ende des Krieges wurde unser Haus leider komplett zerstört und musste neu aufgebaut werden. Alles wurde für den Wiederaufbau verkauft und sogar der Kekshersteller Bahlsen lieferte uns Steine für den Bau.
Wie ging es mit dem Kaffee weiter?
Der nächste Meilenstein kam in den 1960er Jahren mit dem Aufbau des Kaffeeautomatengeschäftes, das heute ein wichtiges Standbein ist. 1985 stieg Nestlé eine Zeit lang in unser Kaffeegeschäft ein, das in Folge dramatisch wuchs. 2015 kauften wir unsere Anteile zurück. Wir führen in Deutschland heute fünf Röstereien und produzieren 80.000 Tonnen Kaffee jährlich. Ein Großteil wird in Deutschland verkauft, ein Teil geht auch in unsere mehr als 120.000 Kaffeeautomaten.
Wie viele Besucher haben Sie im Münchener Stammhaus?
Wir gehen von etwa drei Millionen Gästen jährlich aus, die sich durch unser Delikatessenhaus bewegen. Wir beschäftigen im Delikatessenhaus 300 Mitarbeiter, davon 70 Köche, die die Lebensmittel und Speisen zubereiten. Im Erdgeschoß befindet sich das Ladengeschäft, im ersten Stock unsere Gastronomiebereiche. Ein Stockwerk darüber auf gleicher Fläche unsere Küchen, in den Stockwerken darüber die Verwaltung. Konzernweit beschäftigen wir 4.000 Mitarbeiter und generieren einen Umsatz von ca. einer Milliarde - das differiert und ist abhängig vom Kaffeepreis. Steigt der Preis, liegen wir drüber.
All die Köstlichkeiten, die Sie anbieten, müssen beschafft, das Sortiment laufend erneuert werden. Wie kann man sich diesen Prozess vorstellen?
Wenn unsere Einkäufer aus ihren Netzwerken etwas hören, gehen sie zu den Produzenten und sehen es sich an. Wir haben ein großes Netzwerk erstklassiger Produzenten. Wein kaufen wir direkt beim Winzer und suchen uns teilweise sogar Fässer direkt für unsere Abfüllungen aus. Mit vielen Lieferanten haben wir langjährige, gute Geschäftsbeziehungen. Schon seit 20 Jahren haben wir zum Beispiel eine Verbindung zum Schnapsbrenner Reisetbauer – ein Urgestein und echter Name in der Branche. Der macht gemeinsam mit uns einen Gin und verfügt über viele Kontakte. So bekommen wir auch Tipps und Hinweise zu anderen Produzenten.
Welche Philosophie steht hinter der Auswahl der Produkte?
In erster Linie zählt die Qualität. Dann: Wie geht man mit der Ware um? Wir bieten um die 8.500 Artikel, darunter viele Exoten. Wie ist das mit der Saison? Wie bereitet man zu? Wenn wir ein Produkt neu ins Sortiment nehmen, verkosten wir es in mehreren Schritten: Verkostet wird von Mitarbeitern aus dem Einkauf, Verkauf sowie der Küche. Jeder gibt seine Meinung dazu.
Was sind aktuell die Schwerpunkte in der Produktentwicklung?
Unsere Köche entwickeln viel neue Produkte, die wir „Delis“ nennen: das sind leichte Salate, Feinkost-Salate, Suppen und kleine Köstlichkeiten. Die kann man entweder mit etwas Kurzgebratenem kombinieren oder auch für sich oder Gäste in vielen kleinen Schälchen anbieten. Zum Beispiel empfehle ich unseren Salat mit Rinderfilet Teriyaki und Ingwer, asiatisch inspiriert. Oder etwa ein Salat mit Kürbisbohnen und Goji-Beeren in leichter Marinade. Mit unseren neuen Kreationen möchten wir unseren Kunden neue Rezepturen näher bringen und es ihnen einfach machen, gut und abwechslungsreich zu essen. Inspiration dazu finden wir auch auf unseren Reisen. Die Stadt München ist heute sehr aufgeschlossen, international und jung - es gibt weit mehr als Weißwurst und Brathendl.
Könnten Sie sich vorstellen, das Delikatessenhaus Dallmayr auch in anderen Städten anzubieten?
Nein, denn es steckt ein sehr hoher Aufwand dahinter. Man muss vor Ort sein, um die Qualität sicher zu stellen. Das kann man nicht einfach verpflanzen. Wir haben Lieferanten aus der Region, mit denen wir lange und eng zusammenarbeiten. An einem anderen Standort müssten wir neu beginnen. Es gibt schon einen Grund, warum es keine weltweit agierenden Delikatessenketten gibt.
Das neue Bar-Restaurant ist ein weiterer Anziehungspunkt Ihres Hauses. Welchen kulinarischen Fokus verfolgt man hier?
Wir haben vor eineinhalb Jahren unser Dallmayr Bar & Grill eröffnet. Hier grillt man auf einem japanischen Robata-Grill Fisch, Seafood und auch Steaks. Anregung holen wir uns aus den kulinarisch spannenden Metropolen der Welt. Um eine Größenordnung zu nennen: Wir servieren hier etwa 8000 bis 10000 Austern pro Monat. Der hohe Absatz sorgt für einmalige Frische, und die ist bei Austern entscheidend. Ob man sie in Paris oder letztendlich bei Dallmayr in München genießt, macht dann keinen Unterschied.
Das Thema Internet ist für den stationären Handel oft eine Herausforderung. Welchen Stellenwert hat das Internetgeschäft für Dallmayr?
Online ist wichtig - und jeder Händler muss sich auf seinem Weg dem Internet stellen. Wir haben Kunden, die kaufen nur online auf dallmayr-versand.de. Andere nur stationär. Es gibt aber auch Kunden, die mischen, informieren sich online und kaufen später im Laden. Wir bieten unseren Kunden auch die Möglichkeit, online zu bestellen und dann die bestellte Ware bei uns abzuholen oder sich liefern zu lassen.
Seit kurzem sieht man Moritz Bleibtreu in einem TV-Spot für Dallmayr Kaffee, der sehr italienisch angehaucht ist. Welche Verbindung besteht nach Italien?
Der neue Spot ist eine Hommage an das italienische Lebensgefühl. Es stimmt, wir haben italienische Schwerpunkte im Sortiment - zum Beispiel beim Wein, aber auch in anderen Bereichen. Es heißt ja immer München ist die nördlichste Stadt Italiens. Der Gardasee, die Toskana, Südtirol - das liegt den Münchnern näher als Frankreich.
Beim Kaffee spielen Kapseln eine immer größere Rolle - und damit einhergehend das Thema Umwelt. Wie gehen Sie damit um?
Wir verwenden deutlich weniger Aluminium als der Wettbewerb. Was technisch möglich ist, setzen wir um. Allerdings darf man nicht vergessen, dass es sich hier um ein Hightech-Produkt handelt, mit hohen Anforderungen und sehr wenig technischem Spielraum. Die Lebensmittelverpackungsindustrie ist mit umweltfreundlichen Lösungen gefragt, leider gibt es bislang wenig Neuerungen. Wenn ich zum Beispiel einen Wurstsalat mit Öl im Delikatessengeschäft vor den Augen des Kunden verpacke, dann muss die Verpackung so passdicht schließen, damit die Sauce nicht ausläuft. Wir testen ständig neue Packungen und stellen bei Erfolg schrittweise um. Es gibt aber heute wenig Alternativen.
Nun zu Ihnen als Person: Als Sohn heißt es nicht automatisch, dass man automatisch auch im elterlichen Betrieb einsteigt. Wann war Ihre erste Berührung mit dem Thema?
Schon als kleines Kind habe ich viel probiert und schon früh sehr gut gegessen. Eine der ersten Erinnerungen habe ich an sogenannte tausendjährige Eier - eine Delikatesse aus China. Mein Vater arbeitete damals in der Schweiz für eine Delikatessenfirma und brachte diese Spezialität mit nach Hause. Das sind Eier, die drei bis sechs Monate in einem Mantel fermentieren, das Eigelb wird schwarz - wir würden sagen: vergammelt. In China gilt dies aber als Delikatesse. Geschmeckt haben sie mir damals nicht, aber die Geschichte war interessant. Ich kann mich auch noch gut an meine ersten Austern erinnern. Gutes Essen sollte man nicht immer nur auf teure Dinge reduzieren. Es gibt fantastische einfache Speisen: Ein guter Leberkäse oder eine Weißwurst schmecken ganz wunderbar!
Was ist die Lieblingsdelikatesse des Genussmenschen Florian Randlkofer?
Festlegen kann ich mich da nicht - aber ich esse gerne Austern oder einen guten Parmesan. Frisches Brot mit gutem Olivenöl, Jahrgangssardinen oder Vitello Tonato…
Und Ihre Lieblingschampagner?
Unsere Eigenmarken sind exzellent. Wir kaufen direkt beim Hersteller und geben unser Etikett darauf. Wir haben auch Jahrgangschampagner und nicht zu vergessen unser Winzersekt, der hervorragend altern kann.
Wo gehen Sie als Münchener gerne essen?
Wir gehen gerne ins Jin - ein asiatisches Lokal am Altstadtring. Dort kocht man immer ganz frisch und mit wunderbaren Saucen. Ein Erlebnis ist auch ein Besuch bei Jan Hartwig im Atelier. Fantastisch isst man im Hotel Überfahrt am Tegernsee beim Sternekoch Christian Jürgens. Noch ein Tipp: Einen tollen Abend hatten wir erst kürzlich in Aying, wo die Familie Inselkammer ein neues Fine-Dining-Lokal eröffnet hat: „August und Maria“. Und zu guter Letzt noch das „Chang“ in Grünwald.
Haben Sie Lieblingsreiseziele?
In Südtirol die Hotels „San Luis“ und „Irma“ - da passt einfach alles. Wir machen auch gern Fernreisen. In Vietnam kann ich zum Beispiel das Six Senses-Hotel Ninh-Van-Bay mit seiner einmalig schönen Lage empfehlen. Das schönste Hotel, in dem wir je waren, liegt auf Bali: Das Mandapa Ritz Carlton.
Rotwein oder Weißwein?
Ich trinke beides gerne und fühle mich eher in der klassischen alten Weinwelt - in Europa - zu Hause. Schweizer Weine mag ich zum Beispiel sehr gerne. Der Reiz liegt in der Variation.
Dallmayr hat erst kürzlich umgebaut. Was ist für die Zukunft geplant?
Wir planen derzeit einen weiteren Umbau des hinteren Bereichs unseres Ladengeschäfts. 2020 geht es in die Umsetzung. Die Foodhall wurde schon 2018 sehr aufwändig umgebaut. Zudem haben wir im September 2018 das „Alois“ eröffnet - unser neues Fine-Dining-Lokal mit unserem jungen Küchenchef Christoph Kunz.
Dafür wünschen wir weiterhin viel Erfolg! Lieber Herr Randlkofer, herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch!
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