INTERVIEW
Sein Festzelt ist ein Ort, den er liebt und gerne mit seinen Gästen teilt - das Oktoberfest seine Passion. Im Marstall spiegelt sich seine Freude an der Gastronomie wider. Uns verrät der Wiesn-Wirt seinen Lieblingsplatz im Zelt, wie der Maß-Preis zustande kommt und wo er in München gerne essen geht.
Lieber Herr Able, am morgigen Samstag öffnen Sie auf dem Oktoberfest zum sechsten Mal in Folge das Marstall-Festzelt. Wie groß ist die Anspannung davor?
Natürlich wird man von Jahr zu Jahr routinierter, aber die Anspannung ist immer da. Die hat man als Veranstaltungs-Gastronom auch noch nach 20 oder 30 Jahren. Klappt alles? Gehen die Lichter? Ist das Personal gesund? Selbst die Anspannung wird zur Routine.
Auf dem Oktoberfest ist Ihre Familie schon seit 1994 aktiv. Wie hat damals alles begonnen?
Mit der Leidenschaft als Beschicker dabei zu sein! Lange Zeit war das gar nicht möglich. Ich konnte lediglich auf Privatflächen vor der Wiesn kleine Kioske betreiben und hier den Besucherstrom abfangen. Wir haben mit einem kleinen Eisgeschäft angefangen, dann wurde ein Imbiss daraus, später ein kleines Zelt und heute das Marstall-Festzelt.
Das kleine Zelt war die „Kalbskuchl“…
…mit 300 Plätzen innen und einem stark frequentierten Straßenverkauf, mitten in der Wirtsbudenstraße. Wir waren sehr innovativ und konnten der Stadt beweisen, dass wir umsetzen, was wir im Festkonzept beschreiben.
Sie haben dann den Platz des ehemaligen „Hippodrom“ von Sepp Krätz erfolgreich übernommen. Mit welcher Philosophie agieren Sie?
Ich schätze die Arbeit von Sepp Krätz sehr. Er ist ein begnadeter Gastronom mit extremer Leidenschaft für den Beruf. Und genau dieses Herzblut macht den Erfolg eines Unternehmens aus. Das deckt sich mit unserer Einstellung: Wir sind mit Ordnung, Leidenschaft, Gastfreundlichkeit, Perfektion und Qualitätsstreben vorgegangen – übrigens Parameter, die für kleine Zelte gleichermaßen gelten, wie für die Großen.
Im Rahmen der Ausschreibung um das Zelt entbrannte damals ein harter Kampf. Was hat den Zuschlag für Sie ausgemacht?
Wir haben über mehrere Jahre ein Bewerbungskonzept für ein großes Zelt ausgearbeitet und eingereicht. Das ist ein Bittbuch mit gut 100 Seiten und allem, was für eine Zulassung von Bedeutung ist. Gegen die bestehenden Wirte hatten wir lange Zeit keine Chance, aber als dann der Platz frei wurde, stimmte uns das hoffnungsfroh. Man muss wissen: Von den 14 großen Zelten werden von der Stadt München fünf Plätze jedes Jahr neu ausgeschrieben. Als Wies’n-Wirt muss man sich also Jahr um Jahr aufs Neue bewerben. Die übrigen Zelte laufen über Pachtverträge mit Brauereien oder Schützenvereinen.
Glückwunsch noch einmal an dieser Stelle! Wie viel kostet so ein Zelt wie das Marstall?
Die Kosten für ein Zelt unserer Größenordnung mit Komplettausstattung liegen im hohen einstelligen Millionenbereich. Wir mieten nicht, sondern kaufen alles selbst – vom Leuchter, bis zum Küchengerät. Ein nachhaltiges Investment, das jedoch auch sehr risikobehaftet ist. Wir haben ja keine Garantie, dass wir im nächsten Jahr wieder eine Zulassung erhalten. Die Stadt handelt glücklicherweise nach dem Motto: Bekannt und bewährt. Das gibt etwas Rückhalt. Gleichwohl schützt die Investitionshöhe auch nicht vor Fehlern.
Wie viele Plätze haben Sie?
Drinnen haben wir Platz für 3500 Gäste, im Biergarten für weitere 1000 Personen. Damit sind wir im Vergleich zu den Großen ein kleiner Fisch. Wenn man etwa am Bierkonsum misst, dann können wir nicht mithalten. Wir verkaufen eine niedrige sechsstellige Summe an Maß. Das ist an sich schon ein gewaltiger Biersee – entspricht aber nur einem Viertel der großen Zelte. Bei uns geht es vielmehr um die ausgewogene Mischung aus gutem Essen und Trinken.
Was ist Ihr Lieblingsgericht auf der Karte?
Unsere Karte ist so vielfältig mit bester Qualität, wie im Restaurant. Das klassische Wiesn-Hendl etwa vom Feuergrill schmeckt sensationell, mich entzückt aber genauso gut ein Wiener Schnitzel oder Schweinsbraten wie von Muttern. Wir führen Rib-Eye-Steaks, Black Tiger-Garnelen, Lachs und auch ein breites vegetarisches Angebot. Ich esse jeden Tag etwas anderes.
Das vielfältige Speiseangebot war sicher auch ein Punkt für Ihre Zulassung?
Die Wiesn hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren stark verändert. Früher ging man auf eine Maß Bier mit einem Steckerlfisch, einem Hendl oder Schweinsbraten. Heute genießt man, wie bei einem schönen Abendessen. Es entwickeln sich viele neue Wege, derzeit etwa mit veganer Küche. Doch: Es muss schmecken! Das ist das Wichtigste für einen Gastronom. Ich durfte meine berufliche Laufbahn bei Hermann Haberl beginnen und habe von ihm meinen Leitsatz übernommen: Essen ist Königsklasse. Bei Getränken kann ich nicht viel falsch machen: Da stimmt höchstens mal die Temperatur nicht oder die Sauberkeit des Glases. Doch ein Stück Fleisch an sich, bedeutet noch lange nicht, dass der Gast zufrieden ist. Die Zubereitung entscheidet. Und wo man gut isst, geht man auch wieder hin.
Sie erwähnten Hermann Haberl. War er Ihnen eigentlich böse, als Sie sich die Markenrechte für die Ochsensemmel gesichert haben?
Nein, überhaupt nicht! Es wurde viel zum Thema geschrieben. Bevor wir unser erstes kleines Festzelt auf dem Oktoberfest hatten, haben wir einen Imbiss vor Ort geführt. Unser Vorgänger, Helmut Angerer, hatte die Idee zur Ochsensemmel. Wir haben sie übernommen und sichergestellt, dass wir auch in Zukunft das Produkt mit dem Namen verkaufen dürfen.
Der Maß-Preis auf der Wiesn ist jedes Jahr ein Politikum und wird schon fast wie an der Börse gehandelt. Wie steht er in diesem Jahr bei Ihnen?
Wir haben heuer 30 Cent Erhöhung und liegen jetzt bei 11,80 €. Diese Kosten sind zur Entwicklung nötig. Wir haben ganz andere Ausgaben als ein „normaler“ Gastronom. Subtrahiert man etwa den Bierpreis in einer feststehenden Restauration vom Wiesn-Preis, dann hat man genau die Kosten, die für den Betrieb nötig sind: Kapelle, Sicherheitsdienst, Auf- und Abbau, Transport und Lagerung. Ich vergleiche gern mit einem privaten Umzug. Da müssen auch Kisten von A nach B geschafft werden, ein Elektriker Anschlüsse legen, etc. Für eine Privatwohnung fallen schnell 3000 bis 4000 € Umzugskosten an. Bei unserem Wiesn-Zelt liegen wir in einer Größenordnung von etwa 300 bis 400 Wohnungseinheiten, die von A nach B geschafft werden müssen. Bei einem Liter Bier macht allein der Musikanteil 1 € aus, der Sicherheitsdienst 1 € und der Auf- und Abbau schlägt mit 2,50 € zu Buche. Man muss objektiv betrachten, was man geboten bekommt!
Gibt es im Marstall-Zelt noch die Champagner-Bar im ersten Stock?
Das Konzept haben wir von unserem Vorgänger übernommen und es erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Wenn man schon ein paar Stunden im Zelt verbracht hat, möchte man sich gerne mal die Beine vertreten - und da passt eine Bar recht gut. Wir haben hier einige Produkte ausprobiert, doch die Gäste lieben den Champagner. Im Stehen bei ungezwungener Atmosphäre bietet sich das Getränk an.
Stichwort Fachkräfte: Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie?
400 Mitarbeiter sind bei uns angestellt, hinzukommen etwa 80 bis 90 Sicherheitskräfte und Handwerker! Das ist schon eine Herausforderung, immer die richtigen Leute zu haben, damit das Zahnrad funktioniert. Wir haben glücklicherweise ein sehr stabiles Team. Das Oktoberfest liegt auch zeitlich und räumlich gut für saisonale Servicekräfte aus Österreich. Die Sommersaison ist gerade vorbei und der Winter noch einige Wochen entfernt. Gerade die Fachkräfte aus den Wintersportorten sind extrem gut und sehr leidenschaftlich – vielleicht auch, weil Gastronomie und Service in Österreich einen weit größeren Stellenwert haben.
Für einen Wiesn-Wirt gehört Tracht zum Alltag. Wo statten Sie sich aus?
Meine Frau geht zu einer alteingesessenen Trachtenschneiderei am Rindermarkt: Heimat und Tracht. Für mich ist Lodenfrey der Generalausstatter. Hier lassen wir auch die Dirndl und Trachten für die Servicekräfte herstellen. Die Ausstattung ist sehr teuer und muss von den Mitarbeitern selbst bezahlt werden. Doch sie tragen die Tracht mit großem Stolz.
Was ist Ihr persönlicher Lieblingsort im Marstall-Zelt?
Ich bin den ganzen Tag omnipräsent im Zelt unterwegs. Die Gäste sollen mich als Wirt wahrnehmen. Doch jeden Abend gehe ich für ein Lied an einen ganz besonderen Ort, im südwestlichen Bereich auf der Galerie. Hier hat man den besten Blick auf die Kapelle und ich genieße das Finallied: die Bayernhymne. Dann werde ich sehr emotional und demütig. Ich weiß, was ich erreichen durfte und bin extrem stolz auf mein Land Bayern. Wenn so ein Abend zu Ende geht, entstehen echte Glücksgefühle bei mir: Denn als Gastronom bin ich für so viele Menschen verantwortlich….
Und die Bayernhymne ist Ihr Lieblingslied?
Das Lied spiegelt so vieles: Wir haben in Bayern ein tolles Pflaster, auf das wir gut aufpassen müssen. Sicher wäre ich vor 55 Jahren auch woanders glücklich aufgewachsen. Aber in München groß zu werden, das war und ist schon ein Volltreffer!
Wann beginnt für einen Wiesn-Wirt der Tag?
In der Regel bin ich spätestens um 7 Uhr im Zelt, wenn die ersten Warenlieferungen kommen. Nach Hause gehe ich etwa um 1 Uhr nachts. Das hört sich dramatischer an, als es ist. Denn man funktioniert einfach an diesen 16 Tagen und steht unter Adrenalin. Man weiß zudem um die Endlichkeit der Belastung. Das ist kein Hamsterrad sondern nach gut zwei Wochen wieder vorbei.
Sie haben viel Unterstützung durch Ihre Familie?
Ohne die würde es hier gar nicht gehen. Ich bin das Gesicht, meine Mitarbeiter und die Familie arbeiten richtig. Wir haben ein super Backoffice mit meiner Frau und Tochter Vanessea. Meine zweite Tochter Verena ist im Zelt nicht zu ersetzen.
Wie erholen Sie sich?
Ich bin ein Reisefan und lebe nach dem Motto: Wer fleißig arbeitet, sollte sich auch etwas gönnen. Wir kommen viel herum und sind sehr sportaffin. Zum Beispiel gehen wir Tauchen in Ägypten oder Italien. Seit einiger Zeit spielen wir mit mäßigem Erfolg Golf – ein Sport, den man sehr gut auf Reisen betreiben kann. Die letzten Jahre hat es uns immer wieder nach Teneriffa verschlagen – ganzjährig warm, sehr sympathisch und mit einer überschaubaren Reisedauer!
Sie sind Genussmensch und betreiben auch das „LEGER“ am Dom. Ist der Name dort Programm?
Wie der Name schon sagt, herrscht hier eine ungezwungene Atmosphäre, bei qualitativ bester Küche. Leidenschaft, Tradition und Qualitätsbewusstsein spürt man in allen Betrieben der Able Gastronomie. Das ist unsere Philosophie seit über 30 Jahren.
Wenn Sie mal außerhalb des Able-Kosmos essen gehen, wo stellt man Sie zufrieden?
Man kann mich auch schon mit ganz einfachen Dingen zufrieden stellen, wenn diese ordentlich zubereitet sind. Ich gehe gern in traditionelle Gaststätten, wie etwa in den „Freisinger Hof“ in Oberföhring: Dort erfährt man beste Handwerkskunst und echte Leidenschaft für gute Küche. Ein toller Italiener befindet sich in München, in der Dachauer Straße: „Da Massimo“. Will ich ein gutes Steak essen, verschlägt es mich ins „Little London“ im Tal.
Zurück zur Wiesn: Welche Tipps haben Sie, wenn man am Wochenende auf das Oktoberfest gehen möchte und noch keine Reservierung hat?
Man muss differenzieren zwischen den Tischen am Abend und tagsüber. Untertags ist es deutlich einfacher, einen Platz zu ergattern. Die Gäste sind entspannter, es herrscht weniger Druck und trotzdem hat man die gleiche Speisenqualität sowie Entertainment und Ambiente. Die Abendstunden bleiben trotzdem die Prime Time. Draußen wird es dunkel und es kommen noch einige Lichteffekte dazu. Ich würde empfehlen, tagsüber rauszuschauen. Obwohl die Tagesreservierungen deutlich zugenommen haben, haben wir immer 400 Plätze frei, nach dem Motto: First come, first serve. Wir versuchen außerdem jedem, der geduldig vor der Tür wartet, irgendwann einen Tisch zu ermöglichen.
Welches Souvenir vom Marstall empfehlen Sie?
Den Frauen empfehle ich unser Seidentuch. Jedes Jahr entwirft unser Künstler Marsilius für uns ein neues Motiv. Das sind schöne Schmuckstücke für etwa 25 €. Oder wie wäre es mit einem Champagnerkrug oder einer Kaffeetasse aus dem Straßenverkauf? So macht der erste Kaffee des Tages das ganze Jahr noch mehr Spaß und verbreitet Wiesn-Feeling.
Lieber Herr Able, herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch und für die Wiesn 2019 viel Erfolg und alles Gute!
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