Annette Weber - Lifestyle-Insider.com

Annette Weber

INTERVIEW

Sie ist Buchautorin, Modeberaterin, Influencer und Founder@Glamometer. Mit uns spricht sie über die Welt der Mode, den Unterschied zwischen Print und Online und was es heißt, eine echte Fashion-Ikone zu sein

31. März 2017

Liebe Annette, ich möchte unser heutiges Gespräch mit einem Zitat von Orson Welles beginnen: „Stil ist, zu wissen wer Du bist, was Du sagen möchtest und Dich nicht daran zu stören, was andere von Dir halten“. 

Klar, dass das nicht von einer Frau kommt… Das Zitat ist viel zu technokratisch. Frauen hätten anders gesprochen. 

Du bist selbst eine Ikone im Bereich Fashion. Die Menschen achten darauf, was Du tust und sehen Dich als Impulsgeberin. Wie stehst Du zum Thema Stil? 

Stil liegt immer im Auge des Betrachters. Und über Geschmack kann man nun wirklich nicht streiten. Stil hat vor allem mit Selbstbewusstsein zu tun. Was Du trägst, trägst du mit einer gewissen Haltung und Ausstrahlung. Wir bilden uns ein, das hat mit teuren Klamotten zu tun und ein kleines bisschen stimmt das auch. Zumindest bringen sie dir ein gutes Gefühl. Aber du brauchst vor allem die innere Haltung. Ich gehe öfter mal zu Zara und nehme mir immer vor: „Jetzt kaufe ich da mal was“. Und ab und zu tue ich das dann auch. Aber meinem Selbstbewusstsein bringt das nicht viel. Ich trage doch lieber Prada, Max Mara, Versace, Gucci oder Balenciaga. Aber das hat nichts mit Stil zu tun. Das ist eine Sache vom Styling.

Hat das was mit einer gewissen Wertigkeit zu tun? 

Absolut. Je älter man wird, desto wichtiger ist es, dass man hochwertige Sachen trägt. Ein 20-Jähriges Mädchen sieht in Zara herausragend aus. Aber wenn du eine erwachsene Frau bist, dann ist das anders. Man achtet ja auch auf gepflegte Haare, geht zu einem ordentlichen Friseur und hat einen gewissen Lifestyle. Und dass ich eine Ikone bin höre ich auch immer, aber…

Siehst du das anders?

Ikone ist ein wirklich großes Wort. Meine Meinung wird respektiert, ich habe ein ganz gutes Auge für Mode und ich sehe auch was kommt. Ich glaube, deswegen bin ich sehr geschätzt - und weil man sich auf mich verlassen kann. Meine Leser und jetzt auch Follower wissen, dass sie meinen Tipps vertrauen können. Deswegen sagen die Leute wohl, ich sei eine Ikone. Aber sie meinen damit eher eine zuverlässige Quelle der modischen Information.

Sehr gut ausgedrückt. Das wird man nicht von heute auf morgen. Wie hat sich das bei Dir entwickelt? Bist Du über den redaktionellen Ansatz zur Mode gekommen oder war Fashion immer schon Dein Steckenpferd?

Ich habe an der Münchener Uni ein ganz normales Hochschulstudium mit Magister abgeschlossen. Das Redaktionelle liegt mir quasi im Blut: Meine Mutter schreibt und meine Schwester ist selbst Chefredakteurin. Schon als 16-Jährige habe ich in meiner Heimatstadt Speyer für die lokale Tageszeitung Rheinpfalz geschrieben. Nach dem Studium wollte ich eigentlich an der Uni bleiben. Doch dann habe ich einen Aushang vom Radio gesehen, wo Praktikanten gesucht wurden. Ich bin einfach hin, habe gefragt, ob man dort für mich Zeit hat und nach einer Woche war ich fest angestellt. Mit dem Studium war ich fertig und so bin ich reingerutscht. Da gab’s dann damals die Münchener Modewoche auf der Messe und ich habe den Karl-Dieter Dehmisch interviewt: Das war die große weite, glamouröse Welt und mir war klar: Genau da will ich hin. Und so kam es dann. Aber es ist schon richtig, dass es früher eine lange Buckelei war. Heute geht das dank Social Media sehr schnell und auch ein Designer kann über Nacht zum Superstar werden. Innerhalb von einem Jahr bist du heute ein Super Influencer oder Blogger. 

Früher musste man sich lange hocharbeiten?

Richtig. In dem Punkt habe ich als Quereinsteigerin eine etwas andere Biografie. Mode ist mein Talent, aber ich bin auch gelernte Journalistin. Bei meiner zweiten beruflichen Station  habe ich viele  Produktionen gemacht. Es braucht aber auch Zeit und Sicherheit. Die kommt nicht, wenn du 20 bist. Die kommt erst, wenn du viel gesehen hast. Wenn du weißt, was gut, was nur regelmäßig gut und was schlecht ist. Wenn du dich traust, deinem Geschmack zu folgen und zu sagen: „Nein, das ist nicht richtig!“ - auch wenn Deine Redaktion dagegen ist. Das kommt nicht von heute auf morgen, sondern ist eine Sache von Erfahrung. Deswegen sind auch die meisten Menschen, die in der Fashion-Industrie wichtige Positionen haben, eben nicht 20, sondern in den Vierzigern oder Fünfzigern. 

Interessant. Wie ist es dann bei Dir weitergegangen?

Bei einem Interview fürs Radio habe ich Martin Schnaack kennengelernt. Der hat damals die Avantgarde Modemesse gemacht. Das war genau mein Ding. Er fragte mich, ob ich nicht seine Pressesprecherin werde möchte. Das war zwar nicht Journalismus, aber ich habe es mir passend gemacht. Und so kam die Zusammenarbeit mit Designern. Das hat mir viel Spaß gemacht und war wichtig für meinen späteren Job. Bei Avantgarde blieb ich dann drei Jahre. Dort habe ich auch die Beate Wedekind kennengelernt, die wir immer zu den Modeschauen eingeladen hatten. Die hat damals die Elle gegründet und suchte jemanden, der sich um die jungen Designer kümmerte. Mir war sofort klar, das will ich machen und so war ich plötzlich Mode-Journalistin. Dann war ich also bei der Elle, später bei der Bunte… 

Und beides zusammen führte folgerichtig zur InStyle?

Ich war  fast acht Jahre Chefredakteurin dort und habe immer mit Frauen gearbeitet, die mich gefördert haben - eine gute Erfahrung! Ich kann nicht bestätigen, dass es schwierig ist unter Frauen, im Gegenteil. In meiner Zeit bei der Bunte musste ich viel mit Vorurteilen kämpfen. Ich habe mir daher vorgenommen, es anders zu machen, wenn ich selbst mal Chefredakteurin bin: Du bist nett, nicht zickig, hast immer ein offenes Visier und sagst, was du denkst. Genau so habe ich das bei der InStyle gelebt und ich glaube, das war ein Teil meines Erfolgs. Die Leute kategorisieren ja immer gerne: Die ist so Anna Wintour etwa. Aber das bin ich überhaupt nicht! Frag meine Mitarbeiter. Die bestätigen gerne, dass man sich immer tausendprozentig auf mich verlassen konnte. Mein Team hatte den entscheidenden Anteil am Erfolg. Alleine schaffst Du das nicht, Du brauchst deine Leute. 

Wie kann man sich das so vorstellen, in einer Redaktion mit lauter Frauen? Gibt es da nicht ein Hauen und Stechen? 

In manchen Redaktionen mag das so sein. Aber ich wollte es anders: Mir war klar, ich werde nicht nachts um 5 betrunken vom Stuhl fallen, alle entlassen und mich am nächsten Tag an nichts mehr erinnern. Ich finde, man muss seine Arbeit in der vorgegebenen Zeit schaffen. Sonst macht man etwas falsch. Wir hatten auch eine gute Kameradschaft. Klar, der Beruf ist anstrengend und nicht jeder ist dafür gemacht. Ich habe schon einige sehr begabte Kolleginnen an dem Zeitaufwand scheitern sehen. Nicht weil die so viel abends arbeiten mussten, sondern weil du nicht wirklich abschalten kannst. Das ist kein Job, bei dem du nach Hause gehst und alles hinter dir lässt. Das geht weiter. Du denkst „Mensch, wäre das vielleicht ein toller Trend? Ist das eine tolle Frisur? Vielleicht können wir eine Geschichte draus machen“. Du bist permanent und immer geistig in den Job involviert. Da musst du schon stressresistent sein. Wenn man damit klarkommt, ist es der schönste Beruf der Welt. Mädels, werdet Journalistinnen! 

Du hast dann die InStyle verlassen und bist jetzt online aktiv?

Ich finde nicht, dass Print und Online Konkurrenz sind. Genauso wenig wie im Modebereich der Onlinehandel dem stationären Vertrieb die Kundschaft wegnimmt. Nehmen wir zum Beispiel Zara oder Footlocker: Beides Konzepte, die zeigen, dass  man einen guten Internetauftritt haben kann und die Leute  trotzdem in deinen Shop pilgern. So wie die Modezeitschriften es derzeit machen, hat online aber wenig Relevanz. Das geht auch anders: Bild.de ist ein gelungenes Beispiel oder auch die amerikanische Vogue funktioniert online sehr gut. Es gibt schon ein paar  Beispiele, aber eben nur wenige. Weil viele Zeitschriften oft nur kleines Budget oder nicht die Hochbegabten in die Online-Projekte stecken. Und wenn Du immer nur Praktikanten draufsetzt, brauchst du dich nicht wundern, wenn du ein Praktikanten-Ergebnis hast. Hier braucht man Qualität. Nur damit bekommst Du Relevanz und in der Konsequenz Anzeigenbudgets. 

Man hat das Gefühl, dass speziell im Fashionbereich heute sehr viel Speed drin ist und dass gerade Blogger und Influencer extrem an Bedeutung gewonnen haben? 

Ja und das zurecht!  Den Labels ist es letztlich egal, wer schreibt. Hauptsache man spricht über ihre Produkte und sie werden populär. Louis Vuitton ist es doch genauso recht, wenn eine Caro Dauer, um jetzt mal eine deutsche Bloggerin zu nehmen, die Tasche trägt und anschließend wird sie 50 Mal nachgekauft. Für die Firma hat das denselben Effekt, wie wenn die Tasche in der Madame gedruckt und dann 50 Mal nachgekauft wird. Selbstverständlich ist es um einiges anspruchsvoller, Chefredakteurin als Bloggerin zu sein. Als Blogger bist du nur für dich. Du hast keine Personalverantwortung und  musst keine großartigen Texte selber schreiben und auch nicht redigieren. Du musst keine Mode-Produktionen und Service-Geschichten konzipieren und durchziehen.

Das stimmt…

Es ist etwas anderes, ob ich „nur“ ein geiles Outfit habe, das ich zeige. Oder ob ich ganze Modestrecken mit acht, zehn oder zwölf Outfits und dem gleichen inhaltlichen Gedanken konzipieren und auf die Beine stellen muss. Das ist schon eine andere Liga und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich da die Spreu vom Weizen trennt. Mit Google Analytics kann man sehr leicht sehen, wer eine gute Reichweite hat und wer konvertiert: Wer verkauft dir deine Sachen wirklich? Und vielleicht ist ja auch eine kleine Reichweite, aber hohe Glaubwürdigkeit für den Hersteller genauso sinnvoll. Das ist eine ähnliche Entwicklung wie im Zeitschriftenmarkt vor etwa 30 Jahren. Da gab es Magazine mit hohen Auflagen - und andere die waren einfach wahnsinnig toll! Wenn Du mit einer Anzeige in der Vogue warst, geschah das aus Imagegründen. Du wusstest, das lesen jetzt eher wenige. Und so vermute ich, kommt es auch mit den Bloggern. Da lässt sich einiges entwickeln, die Bewegung steht erst ganz am Anfang und ich springe auf den Zug auf.

Wie sieht das konkret aus?

Mein Instagram-Profil wächst sehr erfreulich. Und da werde ich noch etwas draufsetzen. Was ich im Onlinegeschäft so sehr schätze, ist die Geschwindigkeit. Im Internet schaust du dir die schnellen Fotos und Trends an. Wenn du hingegen ein Heft machst und erst vier Wochen später herauskommst, müssen deine Fotos um einiges besser sein. Sonst verlierst du.

Du brauchst Exklusivität…

Warum soll ich mir vier Wochen später in Modezeitschriften Fotos anschauen, die ich längst auf Instagram gesehen habe und noch einen Haufen Geld dafür zahlen? Ich glaube, dass exklusive Hefte hunderttausendprozentig überleben, weil sie einfach schön sind. Ich liebe die amerikanische Vogue, die französische Vogue vor allem die japanische Vogue: Die verschlinge ich regelrecht. 

Wo wir beim Thema Magazine sind. Wo holst Du Dir persönlich Deine Inspiration für Trends?

Viel in den Heften, auf Fashion-Shows und Events. Aber auch im Streetstyle. Manchmal sehe ich andere Frauen und denke „wow“! 

Gutes Stichwort. Bei welchen Frauen siehst Du, die Fashion-Ikone, genauer hin?

Zum Beispiel bei Carine Roitfeld, der ehemaligen Chefredakteurin von der französischen Vogue. Die Frau hat Schick, ist cool und wirklich lustig. Dann natürlich bei der Leandra Medin. Das ist die Besitzerin, die Chefredakteurin von „the man repeller“. Ein wirklich cooles Mädchen. Und dann noch bei Taylor Tomasi Hill.

Was beeindruckt Dich an diesen Frauen?

Dass sie wirklich ihren eigenen Style haben. Wenn du selbst so jemand bist -  anders als die anderen – dann erkennen die dich. Mode ist ein godgiven Talent. Das kannst du nicht lernen. Das hat man oder nicht. Insbesondere Carine Roitfeld sah immer schon cool aus, die wird immer cool aussehen -  egal, wie alt die ist. Sie hat einfach dieses gewisse Etwas. Und davon gibt es in Deutschland leider nur Wenige. 

Das ist auch so ein Punkt, wenn wir über Mode in Deutschland sprechen. Wenn ich die Maximilianstraße rauf und runter gehe, auf der Kö in Düsseldorf bin oder am alten Wall in Hamburg vorbeischaue, da entsteht der Eindruck die Deutschen sind uniformiert. Jede zweite trägt UGG-Boots, eine Louis Vuitton-Tasche und die Moncler-Jacke. Warum ist das so? Es gibt doch so viele Labels…

Die Deutschen haben eh ein schwieriges Verhältnis dazu. Das fängt bei den Stars an – ich habe etwa aufgehört, mit deutschen Promis zusammenzuarbeiten: Der internationale Hollywoodstar, der möchte seinem Publikum gefallen, wenn er auf den roten Teppich geht. Aber wenn der deutsche Star auf dem roten Teppich steht, dann will er nur sich selbst gefallen. Das ist sehr problematisch. Die Deutschen sind generell im internationalen Modezirkus wenig beliebt. Klar, wir haben das Geld. Aber wir gelten als übergewichtig und schlecht angezogen. Und deswegen sitzen die deutschen Delegationen bei Modeschauen oft in der Nähe der Toilette, aber in jedem Fall immer ganz weit weg von den Amerikanern. Häufig platziert man uns neben den Japanern, weil die ja auch nicht so super beautiful sind.

Eine sehr ehrliche und interessante Einschätzung. Auf den Fashion-Shows in Berlin sieht man auch fast kein internationales Publikum… 

Berlin spielt Fashion Week. Das ist keine echte Fashion Week. Die denken, so muss es doch sein und dann kommen ein paar Moderatorinnen, die sich in die erste Reihe setzen. Zu internationalen Schauen kommt längst kein einziger Star mehr – außer Beyonce vielleicht, weil sie die Freundin vom Designer ist. Das war vor 10 Jahren vielleicht anders, aber das hat sich total geändert. Ich mag Berlin wahnsinnig gerne und ich finde auch Berlin sollte die Mode-Hauptstadt werden. Das dauert, das dauert noch. Ich finde die Premium ist eine Supermesse, die Seek ist eine coole Messe.

Stichwort deutsche Modeindustrie. Nehmen wir Hugo Boss oder Strenesse… Man hat das Gefühl, dass sich das Ganze eher zurück- als weiterentwickelt. 

Schau Dir den Aktienkurs von Hugo Boss an! Strenesse ist in Turbulenzen und viele andere, wie etwa Escada, kämpfen auch… Seit wann gibt es Zara? Die sind glaube ich 2006 oder 2007 an die Börse gegangen und der Kurs hat sich versechshundertfacht! Viele haben damals die Zeichen der Zeit nicht richtig erkannt und das Internetgeschäft komplett falsch eingeschätzt. Mode kauft ja eh kein Mensch online, Kleidung muss man doch anfassen. Das war der erste Fehler und der zweite Fehler war, dass sie nicht modisch genug waren. Dass sie auch nicht global gedacht haben. In den goldenen 80ern und 90ern, damals ist so viel Geld verloren gegangen. Da musstest du einfach nur die Gewinne abstauben und die Branche hat vergessen, in modische Menschen zu investieren. In Leute, die den Trend checken, die querdenken. Es gab ganze Generationen von netten Geschäftsführern, die keine Visionen hatten, außer Geld einsammeln. 

Das sieht man bei anderen internationalen Modelabels anders? Die haben teilweise extrem coole Chefdesigner, die ja teilweise auch die Marken sprengen. Christian Audigier zum Beispiel…

Designer beeindrucken mich per se, weil das ein ausgesprochen schwieriger Beruf ist, bei dem man extrem viel leisten muss. Mit einer Kollektion ist es heute ja nicht mehr getan. Du musst dein Leben lang vier bis zehn Kollektionen pro Jahr auf die Beine stellen. Plus Accessoires plus ich weiß nicht was. Du musst Anproben und Shootings organisieren und immer muss es was Neues sein – und alles unter Kosten- und Zeitdruck. Das war früher anders: Wolfgang Joop, Jean-Paul Gaultier, Claude Montana, Thierry Mugler - die haben verrückte Partys gefeiert und hatten zwei Kollektionen im Jahr auf dem Markt. Da gab es wilde Veranstaltungen und kaum Kostendruck. Heute trinkt der Designer sein stilles Wasser und geht um Zehn ins Bett, weil er am nächsten Morgen um 6 Uhr im Zweifel entweder mit Seoul, Peking, New York oder mit LA telefonieren muss. 

Gibt es in dem Bereich Jemanden, der Dich besonders beeindruckt? 

Frauke Gembalies - eine wahnsinnig begabte Designerin und Freundin von mir. Sie war Designerin bei Lanvin und Akris und Chefdesignerin bei Rena Lange. Jetzt macht sie ihr eigenes Business mit einer Partnerin, einem neuen Konzept. Trunkshorts made to Measure. Sehr seriös. Es beeindruckt mich, wenn jemand so mutig ist, Pfade hinter sich lässt und auch mit 42 noch ein neues Blatt zu schreiben anfängt. Sie hat stetigen Erfolg, macht richtig schicke Sachen und das sehr gerne. Sowas bewundere ich! 

Gibt es bei den deutschen Designern das eine oder andere Nachwuchstalent mit Potential?

Odeeh, Lala Berlin. Marina Hörmannseder ist erfolgreich. Die findet man auch bei Stylebop, wo man auch sehr zufrieden mit dem Albverkauf ist. Nobi Talai finde ich toll. Das ist eine junge Berlinerin und wirklich ein Geheimtipp. Der Name ist nicht so deutsch und lässt sich daher auch im Ausland ganz gut verkaufen. Wenn Amerikaner Berlin hören, finden sie die Sachen meist gut. Nichts gegen Düsseldorf oder München - aber damit da hat man es dann eher schwer.

Apropos Amerikaner und Celebrities: Haben die eigentlich alle eine eigene Maschinerie, die sie stylen? Wie kann man sich das als Laie so vorstellen?

Da geht niemand vor die Tür, ohne dass das Styling nicht festgelegt ist. Die Amerikaner sind totale Kontrollfreaks und abgesehen davon, steckt auch eine riesen Industrie dahinter: Da gibt es Designer, die Geld verdienen. Die Stars lassen es sich ebenso bezahlen, wenn sie beim Oscar ein bestimmtes Kleid anziehen. Die Stylisten selbst haben auch üppige Tagesgagen und wenn der Star das dann auch noch trägt, dann fließt wieder eine ordentliche Summe.

Ein doppelter Industriezweig…

Absolut: Celebrity-Dressing. Aber ich habe den Eindruck, dass sich dieses Geschäft langsam dem Ende zuneigt.

Warum?

Es gibt natürlich noch ein paar. Kim Kardashian zum Beispiel. Aber das geht jetzt eher bei den Männern los, das hier nachgekauft wird. Die Jugend kauft nach, was Kanye West oder Justin Bieber tragen. Die Zeiten wie vor zehn Jahren, als man alles kaufte, was Sarah Jessica Parker trug, die sind endgültig vorbei. Vielleicht auch weil es so wenige wirklich tolle weibliche Stars gibt. Die sind heut entweder alle sehr alt, wie Meryl Streep etwa, oder sie sind richtig jung, wie Emma Stone etwa. Und als erwachsene Frau kann ich mir von einem Girlie nichts abschauen. 

Noch eine Frage zu Deinem Namen: Wie nennt man Dich nun eigentlich? Netti? Oder Annette?

Netti ist mein Spitzname, unter dem ich mein Instagram-Profil angelegt habe. Mir ist schon klar, dass ich als Annette Weber eine Ikone bin, die „Frau Weber“ eben. Und da dachte ich, mein Instagram-Account soll von der Privatperson Netti sein. Ich wollte erst einmal inkognito starten. Ohne Anschub oder Protektion. Aber es muss ja nicht so bleiben.

Themawechsel: Es wurde im letzten Winter wieder sehr viel Pelz getragen – per se ein polarisierendes Thema. Wobei aktuell auch viel Fake Fur auf den Markt kommt. Wie stehst du dazu?

Eine seriöse Diskussion darüber zu führen, ist fast unmöglich. Die Pelzgegner sind teils unglaublich aggressiv und rabiat. Was wir bei der InStyle oft erlebt haben, das ist richtig krass. Ich bin froh, dass es wunderbaren Fake Fur gibt. Aber es ist dennoch eine Entscheidung, die man für sich selbst trifft. Ich finde, dass jeder respektieren sollte, was der andere für sich entscheidet. In sehr kalten Regionen, wie etwa in Moskau, da hat jeder Straßenarbeiter eine Pelzmütze auf. Das ist da ganz normal. Da gibt es auch Gegner, aber ab einem gewissen Grad an Minustemperaturen hält einfach nichts Anderes mehr warm. Gut, jetzt kann man sagen: Hier ist es ein Luxusding, ja stimmt. Und es gibt tollen Fake Fur für diejenigen, die sagen ich will das aus Gewissensgründen! 

Du bist der Meinung, bei dem Thema ist Toleranz angebracht? 

Das ist ein wahnsinnig schwieriges Thema. Ich bin ein paar Mal in Demonstrationen reingekommen in Mailand und Paris. Da bekommt man es wirklich mit der Angst zu tun. Meine Kollegin hat mal einen Farbbeutel abgekriegt. Ihre Haare waren total verfärbt, ich dachte anfangs es war Blut. Schrecklich.

Lass uns von der Kälte in die Wärme springen. Tipps für den Sommer?

Vitakin! Das sind bestickte russische Kleider. Dann: schulterfreie Tops und kleine flache Sandalen mit Bommeln und Troddeln dran.

Interessant. Und bei den Männern?

Also für die Männer würde ich sagen: Jeder Mann sollte eine Badehose von Orlebar Brown besitzen. Orlebar macht einfach die schicksten Badehosen. Ich bin ein großer Fan. 

Und was macht diesen Schick aus?

Der Anzughosenschnitt. Die sind geschnitten wie ein Anzug, sind aber Badehosen aus einem schwereren Material.  Das sieht einfach schick aus - bei erwachsenen Männern, genauso wie bei Jugendlichen. Und es gibt tolle Farben und Muster. Dass was vor 10 Jahren Villebrequin war, ist jetzt Orlebar Brown. 

Themawechsel: Gab es bei dir nachhaltig eine Show, wo Du dachtest,  „die ist für mich immer, die war einprägsam oder die hat mich einfach begeistert“? 

Die Hippie-Show von Tom Ford für Gucci in Mailand mit den bestickten Jeans. Das war legendär. Das ist vielleicht 115 Jahre her. Das war wahnsinnig sexy, alles schwarz. Was immer ein Erlebnis ist, sind die Modeschauen von Chanel. Erstens: Sie finden im Herzen Frankreichs statt im Grand Palais in Paris. Zweitens: die haben immer ein tolles Motto. Mal wurde ein Airport nachgebaut, mal ein Supermarkt. Drittens: Alle Top-Mädchen laufen, wirklich alle. Und Karl lädt immer sehr großzügig ein. Da sitzen dann nicht nur die wichtigen Chefredakteurinnen und Blogger, sondern auch Kunden. Das ist wirklich toll, wenn man sieht, was für schicke Frauen diese schicke Kleidung tragen. Ich finde, das ist mit das Schönste, was man sich als Frau wünschen kann: Einmal in einer Chanel-Modeschau sitzen. 

Schade, dass wir das Strahlen in Deinen Augen bei diesem Thema nicht zeigen können – das ist pure Emotion. Schuhe haben für Frauen auch hohen emotionalen Wert. Was sind deine Lieblingsschuhe? Und sag jetzt nicht UGG- Boots.

Ich hatte tatsächlich mal UGG-Boots. Ich war jahrelang so arrogant, bin immer nur mit dem Auto gefahren und von der Tiefgarage hoch. Da dachte ich immer: „Wieso tragen alle so komische Schuhe im Winter?“. Ja klar, weil die vielleicht zur U-Bahn laufen oder mit der Straßenbahn fahren. Ich persönlich fühle mich einfach mit hohen Schuhen wohler, als mit flachen. Ich nehme dann auch auf das Wetter keine Rücksicht. Für den Notfall habe ich von Jimi Choo Moonboots-artige Schuhe. 

Und was würdest du jetzt im Frühjahr oder im Sommer tragen?

Obwohl die Mode gerade in Richtung flach geht, bin ich Fan von hohen Schuhen.

Du warst in Berlin zur Fashion Week. Deine Tipps für die Hauptstadt? 

Zur Fashion Week habe ich meine Kantine im Borchardt, wo ich fast täglich zum Mittagessen einlade. Ich hoste dort üblicherweise einen Ladies-Lunch, einen Tisch mit Mode-Freunden, sowie einen Tisch mit internationalen Gästen. Es gibt immer Schnitzel in der Damenportion mit Kartoffelsalat. Abends bin ich im Grill Royal. Es ist mit Abstand das schickste Lokal Deutschlands, ein glamouröser Haupstadt-Spot und man trifft immer Bekannte, mit denen man nach dem Essen in großer Runde zusammensitzt und weiter zieht. Ich esse wirklich NIE Salat, außer hier: Weil es im Grill immer interessante, jahreszeitliche Variationen gibt. Dazu Steak. Aus Deutschland. Mein Lieblingshotel ist immer noch das Adlon, obwohl mir der Umbau nicht wirklich gefällt. Das Adlon ist wirklich ein Grandhotel. Jeder Page kennt mich und grüßt. Das ist wie Heimkommen.

Und für Paris? 

Ich reise normalerweise zu den Prêt-à-Porter-Schauen und habe schon so ziemlich jedes Hotel in Paris getestet. Als besonders angenehm - auch vom Service, der ja in Paris leider oft herausfordernd ist - empfinde ich das Peninsula am Arc de Triomphe. Lunch ist ein Muss im L'Avenue in der schicken Einkaufsstraße L'Avenue Montaigne, wo sich zwischen 13 Uhr und 16 Uhr die gesamte Modebranche ein Stelldichein gibt. Ich esse seit Jahren dort immer das Gleiche: gebeizten Wildlachs, danach Cheese Cake und ein Gateau au Chocolat mit warmem Kern: Echt Weltspitze! Für kurze Besprechungen mit Agenten oder Fotografen treffe ich mich im berühmten Cafe Les Deux Magot in St.Germains - eine Pariser Institution, wo schon Simone de Beauvoir und Jean Paul Sartre verkehrten. Abends top: Das Loulou, ein relativ neues, mega stylishes Restaurant im Musée des Art Décoratives, quasi im Louvre. Vorher reservieren!!! Model-Spotting funktioniert immer noch im Restaurant vom Hotel Costes. Dort würde ich nicht wohnen, die Zimmer sind klein und dunkel, aber das Restaurant mit Garten ist seit Jahren hyperbranché. Und für Liebhaber der asiatischen Küche: Davé, ein chinesisches Boudoir-Restaurant in der Rue Richelieu, dunkel, rot verkleidet, vollgestopft mit Fotos und Andenken - und eines der Lieblings-Spots der Fashion-Szene.

Liebe Annette, herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch und die vielen Insider-Tipps. 

 

 

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