Kellerei Kaltern - Lifestyle-Insider.com

Kellerei Kaltern

INTERVIEW

Ihre Geschichte reicht weit zurück. Heute zählt sie zu den bedeutendsten Kellereien Südtirols. Wir trafen uns mit Judith Unterholzner und Andrea Moser am Kalterer See und sprachen über Professionalität, Leidenschaft, familiäre Gemeinschaft, Erfahrung und höchste Qualitätsansprüche.

Foto: Helmut Rier

Foto: Helmut Rier

Foto: Helmut Rier

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28. Mai 2019

Liebe Judith, lieber Andrea, ich freue mich sehr, dass wir uns heute an einem der schönsten Orte Südtirols zum Interview treffen. Seit wann gibt es die Kellerei Kaltern?

JU: Die Kellerei und das Weindorf Kaltern haben bewegte Jahrzehnte hinter sich. Von der Fläche her sind wir die zweitgrößte Weinbaugemeinde Südtirols, knapp hinter Eppan. In der Vergangenheit gab es fünf Genossenschaften, die über die Jahre zu unserer heutigen Kellerei verschmolzen sind: Die „Erste Kellerei“ aus dem Jahre 1900, die „Bauernkellerei“ von 1906 und die „Jubiläumskellerei“ mit Gründungsdatum 1908 stammen noch aus der K&K-Zeit. Die „Neue Kellerei“ wurde 1926 aus der Taufe gehoben – in einer Periode, in der Südtirol bereits Teil Italiens war. Last but not least, wurde auch die ehemalige Genossenschaft „Baron Di Pauli“ Teil unseres Betriebs, während das gleichnamige Familienweingut heute ein Privatbetrieb im Besitz der Adelsfamilie ist.

Wie viele Mitglieder habt Ihr und welche Weinanbaufläche umfasst das Gebiet?

JU: Die Kellerei Kaltern vereint derzeit 650 Winzer, die Mitglieder und somit auch Mitbesitzer des Betriebs sind. Wir sprechen von 50 Hektar Rebfläche, darunter auch Minibetriebe. Unser kleinstes Mitglied hat gerade mal 385 Quadratmeter. Die Herausforderung ist, alle unter einen Hut zu bringen und dabei unseren Qualitätsansprüchen gerecht zu werden.

Andrea, Du als Kellermeister, welche persönliche Weinreise hast Du hinter Dir?

AM: Beruflich gestartet bin ich in Italien in der Toskana (im Gebiet des Morellino di Scansano) und im Friaul, bei Vie di Romans. 2003 war ich in Frankreich beim Château Ferrière in Margaux, anschließend fast neun Jahre als Kellermeister in Südtirol bei Franz Haas, wo ich sehr viel gelernt habe. Zwischendurch erlebte ich eine Mindchanging-Reise nach Neuseeland zu Cloudy Bay. Das hat mich geprägt. Einer meiner Lieblingsweine ist übrigens der Riesling. Daher bin ich auch oft in Deutschland, um Techniken zu lernen, die wir für unseren Sauvignon und Weißburgunder anwenden.

Mit welchen Herausforderungen hat man zu tun, wenn man so viele Zulieferer hat?

AM: Das größte Problem: Bei 650 Mitgliedern hat man es mit 650 Köpfen zu tun, wobei jeder seine eigenen Vorstellungen zu den Weingärten hat, die er/sie besitzt. Wir müssen viel reden und Überzeugungsarbeit leisten. Hier in Kaltern haben wir sehr unterschiedliche Terroirs: Wir starten mit 200 Höhenmetern und gehen bis auf 750 Höhenmeter mit völlig anderen Bodenbeschaffenheiten. So haben wir viele unterschiedliche Sorten, Charakteristiken und Qualitäten, die wir mit verschiedenen Methoden bearbeiten. 

Inwieweit spürt Ihr die Auswirkungen des Klimawandels?

AM: In den 80er Jahren wurde in den niedrigeren Regionen viel Blau- und Weißburgunder gepflanzt. Dort ist es heute schon zu warm. Die idealen Gebiete fangen hier bei 350 bis 550 Metern an, für den Blauburgunder bei 450 bis 500 Metern. Wir müssen Anbaugebiete überdenken und mit anderen Rebsorten experimentieren. Die Klimaänderung ist zum Beispiel gut für Cabernet, Merlot und Kalterersee.

JU: Wir haben 15 verschiedene Rebsorten mit unterschiedlichen Qualitäten im Portfolio - das ist ein entscheidender Vorteil. So können wir Klimaänderungen abfangen, ohne unser Sortiment überdenken zu müssen.

2017 war witterungsbedingt ein schwieriges Jahr…

AM: Wir hatten einen frühen Austrieb und dann kam der Frost. Zum Glück, bei uns nur in den unteren Lagen. Danach hat es viel geregnet und wir hatten in der Ernteperiode nur zwei gute Wochen.

JU: In so einer Phase zeigt sich, wie wichtig und berechtigt die Struktur unserer Genossenschaft ist. Da wir so viele Beteiligte haben, konnte trotz des hohen Niederschlags im Herbst in kurzer Zeit abgeerntet werden. Binnen drei Tagen hatten wir über die Hälfte der Produktion im Hause. Ein Privatbetrieb kann das in der Dimension gar nicht schaffen, denn es fehlen Arbeitskräfte. Bei 650 Mitgliedern ist fast das gesamte Dorf auf dem Weinberg.

Wie teilt sich Euer Sortiment auf?

JU: Wir gliedern in drei Stufen und das schon beim Weinberg: Parzellen, Arbeitseinsatz der Winzer und letztlich auch die Traubenfuhren werden von Andrea klassifiziert. Unsere klassischen Weine haben alpinen Charakter. Sie sind frisch und für den schnellen Konsum gemacht. Die Weine der Selektions-Linie greifen auf Rebsorten in prädestinierten Anlagen zurück. Vor allem ältere Rebanlagen mit weniger Ertrag werden dabei gezielt vom Kellermeister ausgewählt. Die Arbeit im Keller ist hier deutlich intensiver und die Weiß- wie Rotweine kommen erst nach einer längeren Reife bei uns im Keller auf den Markt. Unsere Premiumlinie nennt sich Quintessenz: Hier verarbeiten wir fünf Rebsorten, die historisch relevant für Kaltern sind - dreimal weiß und zweimal rot. Die Weine können international auf Spitzenniveau mitspielen.

Für was steht der Name „Quintessenz“?

JU: Für den qualitativ höchsten Ausdruck Kalterns als Weinanbaugebiet. Quint bedeutet fünf - und steht für die fünf Rebsorten, ebenso wie die ehemals fünf Genossenschaftsbetriebe, die heute in der Kellerei Kaltern zusammengeführt sind. Die Quintessenz ist das Resultat des besten Ausdrucks der Natur.

Welche Weine empfehlt Ihr Genussmenschen?

AM: Die Weißweine der Quintessenz-Linie sowie die Weißburgunder Jahrgang 2014 in der kunst.stück-Edition kann man sicher zehn Jahre lagern, wenn nicht länger. Auch der Quintessenz Cabernet Sauvignon und der Quintessenz Passito sind sehr lagerfähige Weine. Den Vial Weißburgunder aus der Selektions-Linie kann man gerne schon nach einem Jahr trinken, sie lagern aber auch gut bis zu sechs oder sieben Jahre.

JU: Bei den Weißweinen ist mein Favorit der Quintessenz Weißburgunder - den verbinde ich einfach mit Heimat. Ein mineralischer Wein, den man gut jetzt trinken kann, der aber sicher auch in einigen Jahren Spaß macht. Ich habe außerdem den Vernatsch für mich entdeckt - im Sommer leicht gekühlt ein toller Speisenbegleiter, elegant, unkompliziert und doch facettenreich für den geübten Gaumen.

Ihr macht auch Rosé…

JU: Keinen klassischen Lagrein-Rosé, sondern einen Saftabzug von Cabernet Sauvignon, Merlot, Lagrein und Pinot Noir - das ergibt einen gekelterten Rosé, der nicht nur als Sommerwein durchgeht. Dann haben wir noch den Rosenmuskateller, einen lieblichen Dessertwein, der nach Rosen riecht. Der Historie nach, kam er übrigens aus Sizilien hierher. Ein sizilianischer Herzog machte einst einer hiesigen Dame den Hof. Und statt Blumen brachte er eben Rebstöcke.

…und Brut?

JU: Das ist ein Sekt, der zu 100 Prozent aus Chardonnay in Altenburg, dem höchsten Dorfteil in der Weingemeinde Kaltern, gewonnen wird. Ein Blanc de Blanc Jahrgangssekt. Aktuell haben wir den Jahrgang 2012. Der Sekt liegt 48 Monate auf der Hefe und wird ohne Restzucker abgefüllt. Das Ergebnis: Ein sehr mineralischer Sekt.

Wie viele Flaschen produziert Ihr und wohin verkauft Ihr?

JU: Etwa 3,5 Millionen Flaschen im Jahr. Wenn man unsere Rebflächen im Hinterkopf hat, dann sieht man gleich, welch hohen Qualitätsanspruch wir haben. Ein guter Weinbetrieb muss wie ein Küchenchef vorgehen und nur beste Produkte im Keller veredeln. Italien ist dabei unser umsatzstärkster Markt. Gleichzeitig stellt der deutschsprachige Raum in Deutschland, Österreich und der Schweiz ein wichtiges Verkaufsgebiet dar. Aber auch außerhalb Europas kommen wir an, in Japan und Australien etwa. Der amerikanische Markt wird zunehmend interessanter. Das haben wir vor allem unseren säurebetonten Weißweinen zu verdanken. Aber auch der Vernatsch zieht – die säurearme Rebsorte hat fast kein Tannin und entspricht der modernen Küche. Südtirol stellt übrigens nur 0,8 Prozent der italienischen Weinproduktion und dennoch haben 98 Prozent unserer Weine das DOC-Qualitätssiegel.

Die Kellerei Kaltern hat viele Auszeichnungen erhalten. Eine Bestätigung?

JU: Unbedingt. Die Auszeichnungen kommen ja nicht sofort sondern haben einen gewissen Weg hinter sich. Wir empfinden es etwa als Ritterschlag, dass unsere relativ neuen Quintessenz-Weine mit hohen Parker-Punkten ausgezeichnet wurden. Die Ausgabe 2019 des Gambero Rosso hat uns auch wieder drei Gläser zugestanden. Und: Der Quintessenz Kalterersee Classico Superiore bekommt das Siegel für das beste Preis-Leistungsverhältnis aller im Weinführer prämierten Weine. Das bestätigt unseren Anspruch, guten Wein zu vernünftigen Preisen herzustellen.

Thema Nachhaltigkeit: Wie kann man bei so vielen Mitgliedern schwarze Schafe ausschließen?

JU: Wir haben ein qualitätsorientiertes Bezahlungssystem. Schwarze Schafe werden finanziell abgestraft und zwar so enorm, dass der Lerneffekt groß ist. Unser Agronom bewertet die Parzellen und prüft, ob Anregungen umgesetzt werden. Beim Thema Pflanzenschutz gibt es zudem ein rigides Programm, das in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Beratungsring für Weinbau ausgearbeitet wurde.

AM: Pflanzenschutz ist generell ein heikles Thema. Unsere Mitglieder wollen gesunde Trauben liefern. Das heißt aber nicht nur optisch schöne Trauben, sondern auch frei von Rückständen. Wir sind hier auf einem guten Weg. Nächstes Jahr wird etwa bei den Linien Selektion und Premium komplett auf Herbizid verzichtet. Überall können wir das aufgrund der Topographie leider noch nicht tun. Aber mittelfristig möchten wir für die Premiumweine eine organische Zertifizierung anstreben.

Seit 2018 seid Ihr aber schon mit dem Zertifikat Fair’n Green ausgezeichnet…

JU: Diese Zertifizierung muss man sich erarbeiten. Sie steht für Nachhaltigkeit im Weinanbau, ressourcenschonende Verarbeitung und faire Entlohnung. Aufgrund dieses 360-Grad-Ansatzes haben wir uns dafür entschieden. Auch die Dynamik finden wir gut: Man muss sich jedes Jahr um bestimmte Prozentpunkte verbessern, sonst wird die Zertifizierung nicht bestätigt.

Man kann bei Euch auch eine Kellerführung machen. Muss man sich dazu anmelden?

JU: Wir haben verschiedene Optionen: Einmal gibt es unser Winecenter am Ortseingang. Das hat sieben Tage die Woche geöffnet. Da kann man spontan und ohne Anmeldung vorbeikommen und verkosten. Bei den Führungen gibt es unterschiedliche Formate. Wir arbeiten auch mit dem örtlichen Tourismusverband zusammen: Der klassische Durchgang mit anschließender Verkostung findet zu fixen Terminen statt und kostet 10 €. Für Kleingruppen ab fünf Personen organisieren wir auf Anfrage eine Führung. Interessant ist auch unsere Fachweinprobe, die einmal pro Woche stattfindet. Und zu guter Letzt gibt es noch eine Kombination mit einer Wanderung durch die Weinberge. Hier gehen die Teilnehmer den Kalterer wein.weg ab und erfahren viele Anekdoten. Zum Abschluss wartet eine Verkostung bei uns.

Werfen wir zu guter Letzt einen Blick in die Region: Habt Ihr kulinarische Insider-Tipps?

AM: Ein Highlight für mich ist das Restaurant terra im Sarntal. Was hier auf dem Teller landet, ist immer eine Überraschung und ein Erlebnis. Das ist Genuss pur. Auch Wein und Ambiente stimmen. Das terra hat zwei Michelin-Sterne und liegt auf 2.000 Metern Höhe, sehr abgelegen. Das Sarntal befindet sich etwa eine halbe Stunde nördlich von Bozen. Man fährt von dem Hauptort noch einmal eine gute halbe Stunde den Berg hinauf. Ich mag auch den Kürbishof in Altrei mit heimeligem Ambiente und bester regionaler Weinkarte. Hier stimmt einfach alles.

JU: Wir haben insgesamt ein sehr hohes Gastro-Niveau - begonnen bei der Almhütte, über das Dorf-Gasthaus bis hin zur Haute Cuisine. Meine Empfehlung ist der Gasthof Jäger in Sirmian, oberhalb von Nals. Der Sohn des Hauses war lange Zeit im Ausland und kocht jetzt im elterlichen Betrieb regionale Küche auf höchstem Niveau. Ich empfehle zudem das Gourmetrestaurant „Zum Löwen“ in Tisens - eine wunderschöne Location, die von der einzigen Sterneköchin Südtirols geführt wird: Anna Matscher gilt als die Queen der Innereien, obwohl sie selbst keine mag. Immer einen Besuch wert ist für mich auch das Seehotel Ambach. Hier kann man den See in voller Größe genießen und hat besten Blick auf die Weinberge. Denn das Sprichwort stimmt schon: Wenn ich den See seh, brauch ich kein Meer mehr! Am See zu sitzen hat was und ist für mich immer eine kleine Auszeit!

Dem kann ich nur beipflichten und empfehlen, einfach mal hier in Kaltern und der Kellerei vorbeizuschauen! Herzlichen Dank liebe Judith und lieber Andrea für dieses interessante Gespräch. 

 

 

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