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Die Jungen Wilden

INTERVIEW

Wir haben mit den Münchner Sommeliers Ferdinand Boeselager, Markus Hirschler, Erich König, Philipp Künemund und Sommelière Angie Riedler gesprochen und alles zum Thema Wein erfahren.

15. September 2017

Ich darf mich sehr herzlich bei Philipp Künemund bedanken, dass wir heute hier in den Räumlichkeiten der Linke Weinhandelsgesellschaft seine Gäste sein dürfen für das Interview mit den Jungen Wilden aus München: Da hätten wir einmal Markus Hirschler, verantwortlich für die neue Grapes Weinbar im Hotel Cortiina. Dann Ferdinand Boeselager, Sommelier im Restaurant Kleinschmecker. Außerdem Eric König, Stellvertretender Betriebsleiter im Restaurant Koi sowie Angie Riedler, die für Tim Raue in der Brasserie Colette arbeitet. Was hat für Euch den Ausschlag gegeben, Sommelier zu werden?

Markus: Die Gastronomie. Ich bin Österreicher und da ist Wein sehr wichtig. Nach meiner Ausbildung habe immer viel Wein verkostet. Meine Restaurantleiter haben mich auch ein bisschen dazu getrieben. Aber der wirklich ausschlaggebende Grund, dass ich Sommelier geworden bin, war London. Dort war ich zwei Jahre lang in einem Zwei-Sterne-Restaurant und hatte einen jungen, 25-jährigen Sommelier als Chef-Sommelier. Der hat richtig Gas gegeben und seitdem bin ich voll dabei, jeden Tag. Privat und beruflich.

Ferdinand: In meiner Familie ist Weinbau ein großes Thema. Mütterlicherseits durch die Familie Kastell und Lerchenfeld habe ich den Grundbaustein mitbekommen: Ich bin quasi in Südfrankreich groß geworden und mit meinem Vater sehr viel gereist. Dort habe ich meine Passion und Leidenschaft entwickelt. In Frankreich gehören gutes Essen und sehr gute Getränke zusammen. Irgendwann habe ich erfahren, dass es da einen Job gibt und eine entsprechende Ausbildung dazu. Und so bin ich dann sehr schnell, sehr tief in dieses Thema eingestiegen.

Eric: Ich bin in Württemberg groß geworden, dem viertgrößten Weinbaugebiet in Deutschland. Was den Weinkonsum angeht, gibt es hier den höchsten Pro-Kopf-Konsum. Und so war Wein natürlich immer ein Thema. Ich bin in Möglingen aufgewachsen, wo die Weingärtner Zentralgenossenschaft ist. Das ist nicht zwingend das beste Aushängeschild für gute Weine, aber man ist stetig im Kontakt mit Wein. Hier werden die Trauben von Wengerten abegegeben, schnell verarbeitet und gefüllt, am besten auch schnell verkauft, ohne die größen Qualitätsansprüche. Zum Thema wurde es eigentlich, als ich in der Nähe von Trier arbeitete: im Waldhotel Sonnora. Die Chef-Sommelière Magdalena hat mir Weine zum Probieren gegeben und dazu erzählt. So kam ein erstes Verständnis und mir wurde klar: Ich will das alles wissen. Also alles wissen geht nicht. Aber so viel wie möglich.

Philipp, Du arbeitest zum einen immer mal wieder als Sommelier für das Gourmet-Restaurant Überfahrt am Tegernsee. Zum anderen bist Du im Weinhandel tätig. Was hat bei Dir die Leidenschaft für Wein geweckt?

Philipp: Ich habe schon mit 18 angefangen, Rotweine zu trinken. Anders wie bei vielen, die über den Weißwein den Zugang in die Weinwelt finden, war es bei mir Rotwein und vor allem auch die besonders tanninreichen wie Barbaresco, Barolo, Chianti. Das waren die Weine, die mir einfach besonders imponiert haben. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich damals dachte, Chianti sei die Rebsorte. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, aber mir hat Wein einfach auch damals schon besser geschmeckt als Bier. Damals war ich noch nicht in der Spitzengastronomie tätig, sondern habe nach der Ausbildung in einem familiengeführten Hotel für eine etwas größere Hotelkette gearbeitet. Aber nach zwei Jahren habe ich für mich dort keine wirkliche Perspektive mehr gesehen. Ich wollte mehr und so lief mein Weg in die Sternegastronomie - und zwar zunächst ins Restaurant Dallmayr, wo Sie gerade ihren zweiten Michelin Stern bekommen hatten. 2009 habe ich dort als Servicekraft angefangen und mit Wein zunächst beruflich gar nichts zu tun gehabt. Doch dann gab es ein Schlüsselerlebnis: Ein Gast hat noch eine Flasche bestellt, der Chef-Sommelier war bereits aus dem Haus. Ich habe die Flasche geöffnet und das war wirklich ein phänomenales Erlebnis für mich. Die Qualität dieses Weines war so überragend, im Vergleich zu dem, was ich bisher kannte. Ich dachte ja immer, das was ich an der Tankstelle kaufe, ist das Nonplusultra. Aber dass es da qualitativ noch andere Sphären gibt, war mir zur der Zeit nicht bewusst. Als ich den Probeschluck genommen habe, wurde ich gierig, mehr zu erfahren. „Was ist der Grund für diese qualitativen Unterscheide?“. Mein Weg zum Commis Sommelier verlief dann Step-by-Step, „Learning by drinking“ sozusagen.

Ein gutes Stichwort: Learning by drinking! Angie, Du befindest dich gerade in der Ausbildung zur Sommelière. Immer mehr Frauen entscheiden sich für diesen Beruf. Was war für Dich ausschlaggebend und welche Inhalte umfasst diese Ausblidung?

Angie: Auch ich habe eine ganz klassische, gastronomische Ausbildung hinter mir und habe dann schnell den Sprung in die Sterne-Gastronomie geschafft. Am meisten Erfahrung habe ich meiner Meinung nach im Restaurant EssZimmer by Bobby Bräuer gesammelt, es war sehr oft nicht immer einfach, aber letzten Endes hat es auch sehr viel Spaß gemacht und ich bin froh, diese Erfahrung gemacht haben zu dürfen. Frank Glüer, der Chef-Sommelier und heute auch Gastgeber & Restaurantleiter, hat sich damals immer mit seinem Commi-Sommelier Christoph Lange zusammengesetzt und dann wurde probiert und Ideen hin und her getauscht. Wein für Wein, um das perfekte Food & Wine Pairing in den beiden Menüs zu finden. Ich habe damals noch sehr wenig davon verstanden, allerdings war ich stets sehr interessiert. Christoph hat mir wirklich sehr viel mitgegeben und mich an vielem teilhaben lassen, sodass ich solch ein Weininteresse aufgebaut habe, dass ich nun letztes Jahr den Schritt gewagt habe und meine Ausbildung zur IHK geprüften Sommeliére begann. Das war das Beste, was ich machen konnte, da ich nun auch die Hintergründe und Hard Facts kenne - zumindest einige... Die IHK-Ausbildung dauert hier in München berufsbegleitend circa ein halbes Jahr, Vollzeit sind es nur 3 Monate.

Gibt es da unterschiedliche Institute? 

Markus: Ja, in Deutschland und auch In Österreich. Ich habe zum Beispiel an der Wifi meinen Sommelier gemacht. Die Ausbildung zum „Sommelier Österreich“ dauert dort einen Monat - von Montag bis Samstag 9 bis 17.30 Uhr heißt es volle Kanone verkosten. Jeden Tag 20 bis 30 Weine. Dann hast du zwei Wochen Zeit und anschließend zwei Tage lang Prüfungen. Wenn du weitermachen willst, gibt es noch einen Kurs zum Diplom-Sommelier. Und dann geht es wirklich um die ganze Welt.

Wie kann man sich das als Laie vorstellen? Muss man zum Beispiel als Minimum tausend verschiedene Weine getrunken haben oder wie sieht das in der Praxis aus? 

Ferdinand: Man sollte tatsächlich ein Vorwissen haben, weil es geht direkt los. Themen wie Deutschland werden gar nicht groß angeschnitten sondern sollten im Grundwissen dabei sein. Und trinken -  natürlich sollte man eine Vorahnung haben, was Wein ist. Die Sommelier-Schule schneidet vieles an, aber man muss sehr viel in Eigenleistung lernen. Learning by drinking. Tatsächlich. 

Learning by drinking - das Stichwort… 

Philipp: Die Sommelier-Ausbildung, die ich damals durchlaufen bin, dauerte berufsbegleitend sechs Monate, Vollzeit wurde es auch in drei Monate angeboten.  Da denkt manch einer, der Titel ist nichts wert, wenn man sich in so kurzer Zeit einen Abschluss von der IHK holen kann. Ich finde schon, dass der IHK-Sommelier einem Studium zumindest auf Augenhöhe begegnen kann, weil ein unglaubliches Grundwissen Voraussetzung ist. In Deutschland gibt es beispielsweise 13 Anbaugebiete. Dass man die kennt und größenmäßig aufzählen kann wird vorausgesetzt. Das steht auch in den jeweiligen Statuten. Auch Minimum zwei Jahre Berufserfahrung nach der Ausbildung sind eine der Grundvoraussetzungen. Es kann also nicht jeder, der eine Flasche Wein in der Hand halten kann sagen: „Ich mach mal schnell drei Monate meinen IHK Sommelier.“ So ist es nicht. 

Eric: Es ist schon brutal. Du lernst an diesen zwei oder drei Tagen in der Woche und dann gehst du zurück in den Betrieb. Wenn wir in der Schule eine Woche zum Beispiel Themen aus Spanien behandelt haben, dann habe ich versucht, so viel Spanien zu verkaufen, wie möglich, damit man einige Probeschlucke abgreifen und sich darüber informieren und austauschen kann. Wenn Du fertig mit der Schule bist, hast du erst ein Basiswissen und musst darauf aufbauen. Was ich danach alles gelernt habe, da ist die Schule im Vergleich garnichts.

Wein muss man ja auch schmecken können. Braucht man dazu eine bestimmte Begabung oder kommt das einfach mit der Zeit?

Ferdinand: Man muss sich das so vorstellen: Wenn ein Schluck Wein in deinen Mund kommt, dann ist das wie eine Boeing 747, die mit ihren Tragflächen über ein Fußballfeld fliegt und damit jeden einzelnen Grashalm berührt. So ist das Geschmackserlebnis eines Weines in deinem Mund. Ich könnte niemals eine pauschale Antwort geben, weil der Geschmack zu unterschiedlich ist. Wenn ich sage, der Wein ist salzig und du kein Salzempfinden hast, dann ist es tatsächlich nicht salzig für dich, weil nur ich dieses Empfinden habe. Wenn der Tag wahnsinnig warm ist und ich sage: „Wow, der Wein ist total animierend!“, aber der Wein für dich zu viel Säure hat, dann schlägt er dir schlecht auf, so dass ich dir meinen Geschmack nicht aufpolieren kann.

Markus: Vom Verkosten her gibt es schon ein paar Top-Sommeliers und dafür braucht man schon ein gewisses Talent, aber auch Übung. Ich habe letztes Jahr meinen Master-Sommelier angefangen: Da ist man wirklich drei, vier Wochen lang nur am Verkosten und merkt Step-by-Step, wie man besser wird. Weil Verkosten tun wir ja nicht so oft.

Würdet Ihr sagen, Euer Geschmacksempfinden hat sich in all den Jahren verändert, dadurch, dass Ihr mehr getrunken habt?

Ferdinand: Sie kalibriert sich tatsächlich, weil man doch einen fokussierteren Blick hat. Man weiß auch, auf welche Parameter man aufpassen muss, wie man in gewissen Situationen Wein anspricht: Man ist zum Beispiel irgendwo im Ausland, probiert einen Wein und ist total euphorisch, weil er so gut schmeckt. Zu Hause ist es kalt, regnerisch, du bist wieder im Alltag gefesselt und der Wein schmeckt überhaupt nicht. Das ist das Phänomen, aber du musst ihn einfach objektiv ansprechen können. Das heißt also, du musst die Situation dazu sehen und dann kannst du deinen Sinn und natürlich auch dein Empfinden für Wein ganz klar kalibrieren. Auch die Winzer erzählen dir manchmal ziemlich viel...

Ziemlich einseitig meinst Du?

Ferdinand: Euphorisch, aber einseitig. Du solltest eigentlich immer auf der Suche nach der Wahrheit sein und du brauchst eine gewisse Ahnung von Geographie, damit du Weinbauländer richtig einordnen kannst. Für das Sensorische braucht es eine bestimmte Begabung, oder besser eine Leidenschaft, dass du Dinge schmecken möchtest und Sachen bewusst wahrnimmst. Das kannst du dir aneignen.

Philipp: Die Grundvoraussetzung ist Leidenschaft - wie bei jedem Beruf. Es gibt Mathematiker, die stellen Gleichungen auf, die check ich einfach nicht. Selbst wenn ich mich hinsetze und wirklich pauke, werde ich nie diesen Status erreichen, ein großer Mathematiker zu werden. Weil mir die Leidenschaft, die Passion dazu fehlt! Und damit der Zugang zu diesem Wissen. So ist es mit Wein denke ich auch. Ein Laie sagt zum Beispiel, er trinkt sein ganzes Leben schon Riesling, aber er kann nach wie vor nur sagen: Schmeckt oder schmeckt nicht! Aber warum schmecken ihm manche der Riesling so gut und manche nicht? Sind es die Böden, auf denen die Reben wachsen oder ist es der und der Winzer, der diese und jene Hefen einsetzt? Wenn Du keine Bereitschaft und Leidenschaft hast, dich näher damit auseinander zu setzen, wirst du auch keinen tieferen Zugang dazu kriegen. Egal, um welchen Beruf es geht. 

Riesling ist das Stichwort: Mit welchen Herausforderungen habt Ihr zu kämpfen, den Gast zu überzeugen, dass es auch noch etwas Anderes gibt, als zum Beispiel nur diesen Riesling?

Markus: Sommeliers sind teilweise ein bisschen schwierig, weil sie immer glauben, sie wissen alles. Aber schlussendlich geht es um den Gast und was ihm schmeckt. Natürlich gibt es so Sachen, Lugana etwa, die haben wir einfach nicht. Dann liegt es an dir, das du etwas Anderes empfiehlst, was in die Richtung gehen könnte - weil meist weiß der Gast eh nicht, was Lugana ist. Er glaubt, das ist die Rebsorte. Wirklich wichtig ist nur, dass es dem Gast schmeckt. Wenn mir ein Gast sagt, er trinkt keine österreichischen Weine, denke ich mir: Schwierig, du kannst nicht ein ganzes Land rausstreichen aus deinem Wissen. Du kennst vielleicht einen Chardonnay, einen Blaufränkischen und das war es. Da braucht es ein gewisses Feingefühl: Man muss auf den Gast zugehen und rausschmecken, was er will. Und wenn er sagt, er trinkt das ganze Leben nur Riesling, dann soll er dabei bleiben!  

Ferdinand: Erfahrung gehört dazu. Wie spricht man Gäste in gewissen Situationen an? Wie kann ich einen Menschen, der schlecht gelaunt ist, abholen? Und auch wenn er fragt, haben Sie Lugana? Dann kann ich die Hauptattribute aufzählen, die diesen Wein ausmachen und ihm etwas Ähnliches empfehlen. Es braucht Erfahrung, Menschen abzuholen und zu sagen: Gerne, haben wir leider nicht, dafür aber bessere Qualitäten. Beim Wein will immer jeder mitreden können. Wenn einer sagen kann, was ihm schmeckt, bin ich schon begeistert. Das ist ja das Ausschlaggebende! Wenn du ein Problem mit deinem Auto hast, fährst du sofort zur Autowerkstatt. Da fängt keiner an zu sagen: Hast du schon mal die Zündkerzen gewechselt? Oder hast du schon mal geguckt, ob das Öl rausläuft? Die meisten fahren in die Werkstatt. Beim Wein fängt auf einmal jeder an mitzureden. Wenn dir der Wein schmeckt, dann kann man darauf aufbauen, aber verlass dich doch bitte auf die Leute, die sich wirklich oft damit auseinander setzen und Leidenschaft dafür aufbringen. Wir wollen nichts Böses oder nur das Teuerste verkaufen. Ich will, dass du kommst, Dich mit deiner Frau hinsetzt und mir sagst: Ich trinke gerne Toskana, ich mag Sangiovese. Ich mag es, wenn es keine hohe Säure hat. Dann kann ich dich überraschen, aber du musst mir die Chance geben. Nimm doch bitte dieses Wissen ein bisschen mehr an und nicht irgendwie dieses gefährliche Halbwissen, was irgendjemand mal in einem Blog geschrieben hat. Rede mit den Fachleuten. Beim Auto machst du es auch. Also warum nicht beim Wein.

Frage an Angie: Als weibliche Sommelière hat man sicher mit Vorurteilen zu kämpfen. Ist Dir schon einmal passiert, dass Du an einen Tisch herantrittst und ein Gast sagt, wo ist denn der Sommelier?

Angie: Das ist oft so. Ich glaube, das spielt auch das gefährliche Halbwissen eine Rolle. Und die Angst davor, mit den Sommeliers quasi ins Gespräch zu treten. Mann hat Angst, sich zu irren und die Blöße zu geben. Es gibt tausend Geschichten darüber…

Philipp: Die, von denen du sprichst, das sind die netten Gäste mit gefährlichem Halbwissen. Es gibt aber auch die, die nicht so nett sind. Du gehst mit der Weinkarte an den Tisch und da hebt einer den Finger und sagt: „Ich bin Weinkenner“. Und mit denen hast du dann richtig Spaß! Die erzählen in manchen Fällen irgendeinen Schwachsinn und jeder Sommelier muss dann zum Chamäleon mutieren. Wir versuchen schließlich, Gästen auf Augenhöhe zu begegnen: Mit manchen Gästen haben wir einen geilen Abend, wir können Sie gut beraten und haben Freude daran. Und manche Gäste sitzen vor dir und wollen mit Ihrem gefährlichen Halbwissen brillieren, dann muss man das Spiel in gewisser Weise mitspielen. Den Gast zu berichtigen, finde ich sehr gefährlich. 

Gibt es da Unterschiede zwischen der Klientel in einem Gourmet-Restaurant und in einem normalen Restaurant?

Eric: Ich habe die Bandbreite von Gourmet-Restaurants über gehobene Restaurants bis zum Szenelokal erlebt. In Gourmet-Restaurants verlässt man sich mehr auf den Sommelier. Im Szene-Restaurant hingegen findet man Leute, die gefährliches Halbwissen haben. Sie haben eigentlich das nötige Kleingeld sehr, sehr tolle Weine konsumieren zu können. Da siehst du dann aber, dass sie was gehört haben und quasi anderen hinterher trinken, sich das also bestellen und obwohl du weißt, dass ihnen das jetzt eigentlich nicht so taugt, im Gegensatz zu dem was du ihnen aufgemacht hättest. Und das ist doch schade.

Trinken diese Menschen dann mehr Marketing?

Eric: Es gibt dieses Phänomen Lugana, das ist ja der Klassiker hier in München. So weit verbreitet, dass dieser Name wie ein Schwert über der Stadt schwingt und immer, wenn die Terrasse voll ist und sich ein Finger erhebt, weißt du, Aperol Spritz oder Lugana. Am besten beides. Und Eiswürfel bitte! 

Ferdinand: In der gehobenen Gastronomie gibt es eine Hemmschwelle - nicht nur in punkto Geld. Man muss einfach mehr Geld in die Hand nehmen, um Qualität zu bezahlen. Dann ist das Verständnis viel größer, weil man natürlich nicht nur Qualität im Service, sondern auch Qualität bei Essen und Wein voraussetzt. Man hat mehr Fachleute vor Ort hat und ist deswegen auch mehr bereit, seine Entscheidung in andere Hände zu geben.

Stichwort Lugana. Ich merke, das ist wie ein Stich in Euer Herz. Es gab Zeiten, da konnte man in München tatsächlich keine Weinkarte ohne Lugana machen. Seht Ihr aktuell wieder einen Trend kommen, den Eure Sommelier-Kollegen in 20 Jahren verfluchen, so wie ihr jetzt den Lugana?

Markus: Man kann das nicht so verallgemeinern. Das ist ein spezielles Münchener Phänomen. In London existiert Lugana gar nicht.

Philipp: Dem schließe ich mich an. Aperol Spritz ist konfrontiert worden mit dem Hugo. Beides sind Szene-Getränke, die sich ganz hartnäckig halten. Ich glaube, dass in 20 Jahren die Generation an Sommeliers sicherlich mit der gleichen In-Problematik konfrontiert sein wird. Vielleicht dann eben mit einem anderen Szenewein oder Getränk. Wir sehen es ja auch bei so manchen Winzern, die mit Ihren Weinen für Furore sorgen, manche davon sind handwerklich noch nicht mal gut gemacht, aber Sie treffen mit Ihren Weinen eine sehr breite Geschmackserwartung. Und so wird es sicherlich auch in 20 Jahren sein: Da kommt dann wieder ein anderer Wein aus irgendeinem anderen Anbaugebiet, der dann den Zahn der Zeit trifft. Warum auch immer. Das wird es immer geben.

Stichwort Markus Schneider. Wie sieht ein Sommelier Markus Schneider? Der Wein wird ja fürs Marketing gemacht.

Eric: Ich finde das für die Weinwelt an sich durchaus förderlich, wenn jemand so ein Marketing betreibt, weil es einfach viel mehr Menschen zum Thema Wein bringt. Wir haben alle mal irgendwo angefangen. Der Philipp mit dem Wein von der Tankstelle für 2,30 €. Warum soll also nicht einer mit dem Sauvignon Kaitui von Markus Schneider beginnen? Irgendwann wird ihm das nicht mehr ausreichen. Nicht wegen der Qualität sondern weil er einfach mehr kennenlernen möchte. Und dann liegt es wieder an uns, ihm andere Sauvignon Blancs aufzuzeigen. Aber den Einstieg in die Weinwelt gerade über solche Sachen zu finden, finde ich toll. Von diesem Marketing könnte sich das eine oder andere Weingut oder so manche Weinbauregion eine Scheibe abschneiden. 

Zurück zum Riesling. Kennt Ihr einen Grund, warum, egal wo auf der Welt, Deutschland immer mit Riesling gleichgesetzt wird. Woran liegt das?

Markus: Außer dem Elsass kann uns kaum eine Nation in punkto Riesling etwas nachmachen. Vielleicht noch die Wachau. In London habe ich sehr viel Frankreich getrunken, Österreich und Deutschland sind dort kaum vertreten. Bei 600 Positionen hatten wir drei deutsche Weine auf der Karte. Und deswegen kannte ich mich auch nicht wirklich aus in Deutschland. Aber mittlerweile glaube ich, kann ich schon ein bisschen mitsprechen. Es ist einfach so vielfältig und es gibt die unterschiedlichen Geschmacksbilder von Region zu Region. Eine Rebsorte kann sehr vielfältig sein. Der Trend mit den extrem alkoholischen Noten geht weg. Bei den Winzern gibt es oft Generationenwechsel: Söhne, Töchter übernehmen die Weingüter und verändern den Style. Superspannend, und ich finde Riesling ist echt eine geile Rebsorte.

Eric: Ich finde es nicht schlimm, dass Deutschland mit Riesling gleichgesetzt wird. In Frankreich spricht man beispielsweise auch immer über Burgund. Das sind ja dann auch nur zwei bzw. vier Rebsorten.Und es wird ja auch nicht runterreduziert. Meiner Meinung nach versucht die Welt, dem deutschen Riesling nachzueifern und ihn als Maßstab zu nehmen. Und es ist immer der gleiche Weg. Man findet über Riesling nach Deutschland. Du fängst mit dem Riesling an und gehst dann auf etwas Anderes. 

Ferdinand: Riesling hat ein Entwicklungspotenzial. Ich hatte das Privileg, in den Schlössern in Hattenheim zu arbeiten. Für mich die coolste Weinkarte Deutschlands. Und da einfach die Jahrgänge rauf und runter zu probieren und zu sehen, was diese Rebsorte für ein Entwicklungspotenzial hat - das ist schon beeindruckend! Etwa, wenn man Rieslinge vom Kloster Eberbach aus dem 19. Jahrhundert trinkt. Wie so ein Riesling oder eine solche Traube im Alter noch imstande ist, sich zu entwickeln und zu präsentieren - toll!  Da sieht man was dahintersteckt, was für eine Qualität und Tiefe.

Wir haben ja im Prinzip, wenn wir nach Regionen gehen, die alte Welt und die neue Welt. Letztere wird gehyped, teilweise aber auch wieder spöttisch betrachtet, weil ihr die Tradition fehlt. Wie seht Ihr das als Sommeliers?

Eric: Schmarrn! Es gibt keine neue oder alte Welt. Jeder hat seine Historie, die darauf aufgebaut ist. Wenn man mal die neue Welt anschaut, dann ist das doch auch historisch geprägt mit Wein. Es ist vielleicht nur für uns die neue Welt. Man muss einfach offen sein für alles. Klar, habe ich auch manchmal ein Problem, wo ich mir denke: Okay, der Wein schippert jetzt um die halbe Welt. Aber ich finde man muss auch die Geschichte betrachten: wieso, weshalb, warum?  Und wenn man sich die anschaut, dann ist es nämlich alles gar nicht so neu, wie wir denken. 

Markus: Du hast Recht, Eric! Wenn man das im Kurs wirklich über einen längeren Zeitraum verkostet, dann merkt man im Glas einen krassen Unterschied. Ich persönlich bevorzuge ganz klassisch alte Welt von der Stilistik her. Aber hier und da gibt es auch aus kühleren Gebieten von der neuen Welt richtig gutes Zeug.

Thematik Bio-Dynamik. Wie wichtig ist für einen Sommelier bei der Weinkarte, dass ein Wein zertifiziert oder Bio-dynamisch ist?

Philipp: Es hängt vom Restaurant als auch von der Philosophie des Sommeliers ab. Wenn ich im Außendienst unterwegs bin, kommt oft der Kommentar: „Wir schauen uns gerne den Katalog an, aber sind Ihre Weine auch alle Bio-zertifiziert? Weil wir nichts Anderes auf die Karte schreiben.“ Prinzipiell finde ich, dass Bio-dynamisch erzeugter Wein das Beste ist, was man der Mutter Natur quasi antun kann. Also die sorgsame Arbeit, die Zeit, die sich am Ende des Tages auch in Form von Qualität und Langlebigkeit bei den jeweiligen Weinen zeigt. Man muss allerdings auch die Kehrseite betrachten, Was, wenn eben gewisse Probleme, wie Frost oder Schädlinge auftreten. Dann sind den Bio-dynamisch arbeitenden Winzern schon sehr die Hände gebunden. Gerade in der Zeit des Klimawandels. Ich habe viel Kontakt zu den Winzern, die wir im Programm haben. Es gibt schon ein paar, die überlegen wieder zum ökologischen Weinbau zurück zu kehren. Wenn ich als Winzer sehe, wie es mir meine Reben zusammenhaut und ich darf nichts machen, weil das die Vorlagen sind, dann bin ich quasi gezwungen, mich auf die faule Haut zu legen - wohlwissend, dass draußen alles kaputt geht und ich im Herbst kaum eine Ernte einfahren werde. Das regt auch zum Nachdenken an. In der Bio-Dynamik gibt es verschiedenste Verbände mit unterschiedlichsten Auflagen. Wenn man einen guten Jahrgang hat, dann ist alles super. Aber man muss es eben auch teilweise kritisch betrachten.

Eric: Ich habe neun Monate in einem Weingut gearbeitet, also quasi ein Weinjahr mitgemacht. Der Betrieb war im dritten Jahr zur Umstellung auf biologisch, also nicht Bio-dynamisch. Ich habe mich intensiv damit auseinandergesetzt, auch weil es mich interessiert, was mit der Rebe passiert. Ich weiß, der Markus trinkt sehr, sehr gerne Bio-dynamisch. Das passt. Also wird er da den einfacheren Einstieg haben. Auf meiner Weinkarte wäre es nicht ausschlaggebend. Ich freue mich sehr, weil ich denke, jeder der biologisch arbeitet, wird früher oder später um einiges bessere Weine produzieren. Irgendwann schmeckst Du es im Wein. Schon aus diesem Grund sollte man das mehr fördern. Warum haben denn große sehr, sehr erfolgreiche Weingüter umgestellt auf biologisch? Wegen der Qualität…

2016 gab es in der Champagne relativ lange Frost. Im März, April war schon ein Drittel der gesamten Ernte weg. Ähnlich auch in anderen Regionen. Zertifizierungen, Bio-Dynamik sich auf die Werte der Natur zu konzentrieren, fein! Aber es ist wichtig, ein Verständnis zu entwickeln und nicht zu pauschalisieren. Sowohl als Gastronom wie als Verbraucher...

Eric: 2014 gab es die Kirschessigfliege. Weil einfach der Winter von 2013 auf 2014 richtig beschissen war. Dann bist du Bio-dynamisch wie Manincor etwa - und diese Kirschessigfliege frisst dir alles an. Was willst du da machen? Du hast ja deine Mitarbeiter. Du musst das ja alles stemmen, alles bezahlen. Also warum kann man da dann nicht einfach eine Ausnahme finden, auch wenn es in diesem Jahr immer schwierig ist. Vielleicht kannst Du noch retten, was du hast, was gesund ist. Anstelle von, ich lasse alles kaputt gehen.

Philipp: Wenn Du diese Ausnahme zulässt: wo fängt es an, wo hört es auf...

Markus: Und deshalb gibt es eben diese Regel -  du bist Bio-dynamisch zertifiziert und schaust zu, wie deine Trauben in einem schlechten Jahr verrotten. Es gibt aber auch die Möglichkeit, konventionell zu arbeiten oder ökologisch, respektive biologisch oder Bio-dynamisch. Das ist die höchste Stufe. Konventionelle Winzer sind nicht die Bösen -  die arbeiten trotzdem nach dem deutschen Weingesetz. Da werden auch keine Gifte in die Flasche abgefüllt…

Was würdet Ihr einem Verbraucher empfehlen, der eine Flasche Wein kaufen möchte?  

Ferdinand: Es geht darum, ein Bewusstsein dafür zu bekommen, dass man für 3 € tatsächlich nicht unbedingt dem Weinberg oder auch der Natur etwas Gutes tut.

Qualität hat eben seinen Preis?

Markus: Wenn wir jetzt am Tisch sitzen und sagen, warum ist der denn so teuer? Schmeckt gut, aber kostet 25 € netto im Einkauf - dann muss ich umdenken. Wenn ich etwa im Priorat in Katalonien stehe, mit 60 Jahre alten Reben in gefühlter 90-Grad-Steigung und da tagtäglich auf und ab renne oder etwa in Franken im Escherndorfer Lump mit so einem Wahnsinngefälle - dann darf der Wein schon mal 12 € im Einkauf kosten. Man muss die Qualität ein bisschen überdenken. Und dafür sind wir Sommeliers da, um das den Gästen näherzubringen. Und Priorat ist ein Beispiel. Es gibt sehr wenig Wein dort, es kostet alles viel Geld, ist aber spitzengut.

Und das ist ja an der Stelle wirklich Handarbeit.

Eric: Knochenarbeit. An der Mosel das Gleiche. Und die Mosel hat halt noch ein Problem: Dort gibt es viele Weinbauern. Und das sind keine Marketing-Genies sondern im Endeffekt einfache Bauern und oft auch schon alte Leute. Für die muss viel am Stock hängen - so blöd sich das anhört. Für die zählt nicht nur die Qualität sondern auch einfach die Masse, die sie abgeben und für die sie Geld bekommen. Weil die bauen das meist nicht selber aus. Klar gibt es dort auch Topweingüter, wo extrem viel Geld pro Flasche erzielt wird, aber es gibt eben auch eine Menge kleiner Weingüter. Philipp und ich, wir waren an der Mosel und durften uns das intensiv ansehen. Und dann sitzt du bei diesen Weingütern und denkst: Krass, geiles Zeug und  er nimmt nur fünf Euro für die Flasche…?!

Da sind wir an einem schönen Punkt Eures Sommelier-Daseins. Ihr seid öfter vor Ort und schaut Euch Weingüter an. Wie wichtig ist das für Euch?

Markus: Das ist wirklich wichtig. Ich lerne jedes Mal viel dazu bei einem Winzer. Alleine vom Ausbau her. Warum er das macht, warum das vom Boden her so schmeckt etc. Das ist essentiell. Und alleine die Connections, die man wieder pflegt.

Das heißt Networking ist wichtig, um Erfahrungen auszutauschen, um sein Spektrum erweitern zu können?

Philipp: Und um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen. Beispielsweise, wie es die Angie jetzt gemacht hat. Drei oder vier Tage war sie jetzt im Burgund. Als ich damals angefangen habe, mich in Burgund einzulesen verstand ich zunächst erstmal nur „Bahnhof“. Denn da gibt es natürlich die verschiedensten Qualitätsstufen vom Village, Premier Cru, bis hin zum Grand Cru und dann die einzelnen Gemeinden - da wirst du gar nicht mehr fertig. Das Wissen prasselt nur so auf dich ein. Und dann fährst du einmal diese Route National ab und kommst an allen wichtigen Gemeinden vorbei, siehst die Weinberge, unterhältst dich mit den Winzern und plötzlich kriegst du ein Verständnis dafür. Plötzlich macht alles Sinn. Um wirklich die Philosophie zu verstehen und auch ein Gespür zu entwickeln, warum schmeckt der Wein jetzt so und warum schmeckt dieser Wein so - dafür ist das Reisen in unserem Beruf essentiell.  

Angie, magst Du uns kurz Deine Erfahrungen aus dem Burgund schildern?

Angie: Ich habe mir überhaupt nichts vorgenommen und bin einfach spontan nach Paris geflogen und von dort aus mit dem TGV nach Dijon, und so wollte ich mich weiter durchs Burgund durcharbeiten. Ich hatte mit keinem Winzer etwas vereinbart, da es für mich erst einmal wichtig war, anzufangen Burgund zu verstehen, die Ortschaften, die Lagen und wie das ganze System funktioniert. Ich war sehr viel zu Fuß unterwegs und bin durch so viele Rebgärten wie nur möglich gelaufen, um mir alles aus nächster Nähe anzuschauen. Ab und zu hat man Arbeiter auf den Feldern gesehen, auf die ich zugegangen bin und versucht habe zu verstehen, was sie gerade für Arbeiten haben - was besonders schwierig war, denn ich spreche kein französisch... zumindest noch nicht. Es war alles in allem wahnsinnig spannend zu sehen und langsam zu verstehen und die Unterschiede zu sehen...

Markus: Vor zwei Jahren war ich das erste Mal im Burgund. Du fährst nach Meursault, weißt es ist eine Ortschaft, keine Rebsorte und du bist da. Du siehst die verschiedenen Lagen, dann siehst du auf einmal La Tache, Romanee Conti und das, das, das. Das ist gigantisch. Wirklich. Das kann man gar nicht beschreiben.

Eric: Ich finde es auch sehr wichtig, sich mit dem Winzer zu unterhalten. Das sind Künstler, die ihre Impressionen, ihre Intention in einer Flasche Wein ausdrücken. Gerade bei sehr komplexen Weinen möchte ich unbedingt den Winzer kennen lernen, weil ich seine Philosophie erfahren möchte. Nehmen wir Burgund. Das sind Zeilen. Die eine Zeile schmeckt anders, als die andere Zeile. Und du stehst da und schaust und denkst dir: Okay, aber warum? Und der Winzer erklärt dir dann seinen Ausbau, durch seine Hände, durch sein Denken, die Musik, die er im Weingut laufen hat oder was er eben so macht - so entsteht ein anderer Wein. Wein ist nicht Coca-Cola, wo sich irgendwann mal vor XY Jahren jemand ein Rezept ausgedacht hat und das dann immer wieder so macht. Der Winzer fühlt seinen Beruf. Der geht raus, schneidet was weg, lässt Blätter stehen oder pinkelt in seinen Weinberg, damit es am Ende so schmeckt. Aber es ist halt einfach…

…auch Bio-dynamisch.

Ferdinand: Du musst das spüren. Die Philosophie ist ganz, ganz wichtig, um das an den Gast weiterzugeben. Noch ein Beispiel: Im Trentino muss man mal Elisabetta Foradori besucht haben. Diese wunderschöne Frau empfängt dich auf ihrem Weingut und fährt alles andere als ein Standardprogramm ab. Bevor du in die Weinberge gehst, zaubert sie dir was zum Essen und selbstgebackenes Brot. Und wenn man dann noch erlebt, mit welcher Passion und Leidenschaft sie ihre Weine präsentiert, dich durchs Weingut führt und Du ihre eigene Lebensphilosophie erfährst, dann versteht man auch, warum ihr Wein genauso ist -  und warum Wein an sich immer die Handschrift des Winzers trägt.

Also ist Geschmack und Wein gleichzeitig auch Emotion?

Markus: Absolut. Man verkauft Emotionen. Ich kann einem Gast erzählen, der schmeckt nach Erdbeeren, nach Tabak, nach Kaffee. Interessiert ihn nicht. Aber wenn du ihm die Story von der Elisabetta Foradori erzählst, etwa wie Du mit Ihr getrunken und im Weinberg eingeschlafen bist, dann hast ihn schon verkauft.

Eric: Das ist das Komplizierte und macht unseren Job aus. Du darfst dich von alledem, was sie dir erzählt und was du siehst, nicht zu sehr ablenken lassen sondern musst die Qualität im Glas feststellen. Das ist das Ausschlaggebende.Ich verkaufe Emotion über eine Geschichte. Dann wirkt beim Gast diese Geschichte. Oder ich verkaufe über Qualität. Braucht der Gast oder brauchen wir nicht alle irgendwie beides?

Ferdinand: Es gibt in Südtirol Blindverkostungen. In Völs am Stern. Du gehst in einen Raum, wo du keine Emotionen, keine räumlichen Wahrnehmungen hast. Du musst erst mal alles vor dir abtasten und dann kriegst du kleine Probeflaschen plus Glas in die Hand. Du hast keine Möglichkeit, den Wein, wie du ihn im Kopf hast, klassisch abzurufen. Wenn ein Rotwein ein bisschen runtergekühlt ist, du nur daran riechen und schmecken kannst, dann hast du das unverfälschte Bild des Weines vor dir. Du hast in diesem Moment keine Emotionen, weil du keine Emotionen zu diesen Wein aufbauen kannst. Weil du ja nicht weißt, ist es rot, ist es weiß, ist es Rosé. Es ist nur das erste Empfinden, was du in deinem Kopf hast. Ich habe auch eine sehr spannende Verkostung mitgemacht: Wir waren in einem weißen Raum und haben ein Glas Wein vor uns hingestellt bekommen. Dann wurde ein blaues, gelbes und rotes Licht herein gespielt, der den Wein angesprochen hat. Es war dreimal der gleiche Wein und trotzdem hast du ihn immer anders angesprochen. Da ist alles in deinem Kopf: Du hast ein Gefühl damit. Rotes Licht steht für Dich zum Beispiel für Cote d`Azur, du bist am Strand, du bist glücklich. Es ist alles schön und blau. Oder es ist kalt, du bist irgendwo in dich zurückgezogen. Du hast eine ganz andere Empfindung mit dieser Situation.

Philipp: Als ich bei einem sehr renommierten Weingut im Burgund zu Gast war, bin ich mit einer kleinen Gruppe runter in den Keller, vorbei an verschiedensten Fässern und überall haben wir Weinproben genommen. Der Kellermeister war relativ hektisch und imposant in seinem Auftreten. Und dann gehen wir ins letzte Kellerabteil, wo es relativ dunkel war und plötzlich wird er ganz ruhig in der Stimme und fängt fast schon andächtig an, über den Wein zu philosophieren, den wir im Glas haben. Das war dann sein Echezeaux Grand Cru.

Was ist das für ein Wein? Ist der so speziell? Oder so teuer?

Philipp: Sowohl als auch. Du stehst da in diesem Keller und dann fängt er an zu philosophieren über diesen Wein. Er hat das als ein Orchester beschrieben, wo sehr viele Komponenten aufeinandertreffen in perfekter Harmonie. Nichts zu laut, nichts zu leise. Und so habe ich diesen Wein auch wahrgenommen. Also ich habe wirklich gedacht, ich nippe gerade am heiligen Gral, so gut war das. Ich habe mir dann für 400 € beim Händler meines Vertrauens eine Flasche gekauft. Vor zwei Jahren habe ich ihn aufgemacht und dachte mir: „wirklich sehr gut“, aber dieses besondere Gefühl von damals fehlte. Natürlich kann man sagen, das ist Flaschenbedingt, weil jede Flasche natürlich auch unterschiedlich reifen kann. Ist es eine besonders gut gereifte Flasche? Oder ist es die Emotion, die manche Verkostungen zu einem solchen Erlebnis werden lassen? Ich denke sehr oft ist es eine Mischung aus beidem.   

Ferdinand: Du kaufst einen Wein in einem anderen Land und verbindest eine Geschichte damit, eine schöne Zeit, die du dort verbracht hast. Und deswegen trinkst du ihn Zuhause - aber es ist ganz anders. Wir Sommeliers sind keine Laien, wir gehen Wein anders an. Wir haben dann auch noch irgendwo eine ganz andere Bezugsquelle. Wir können andere Parameter und Geschichten bei uns abrufen, weil wir objektiver sind.

Eric: Wir müssen es auch objektiver angehen. Deshalb bin ich am liebsten am Blindverkosten. Man schenkt es ein, man trinkt es und sagt dann, ob es geil ist und im besten Fall, woher es kommt. Vielleicht bekommt man es heraus, aber eigentlich sollte man es komplett ausblenden. Vom Gedankengang her: Wenn du etwa die Flasche siehst und denkst: Das ist ne brutale Flasche Wein, dann fieberst du dem Einschenken schon entgegen. Und dann nimmst du den ersten Schluck und dann denkst dir: Oh Mann, was ist denn des jetzt! Das ist doch wie beim FC Bayern. Die spielen gegen nen Zweitligisten meinetwegen. Dann hast du doch auch eine Erwartung: Die müssten doch das andere Team locker mit 9:0 wegklatschen. Aber warum passiert das dann nicht? Das ist genauso beim Wein. Deshalb finde ich es beeindruckend, dass dann Weine, die du vielleicht sonst nicht zwingend trinken oder verkosten würdest, dich am Ende oft viel mehr überraschen.

Ich werde von meinen Freunden immer gehänselt, weil ich im Sommer gerne Lambrusco trinke. Den trinkt man nicht, das ist Pennerwein – heißt es. Ihr als Sommeliers, würdet Ihr einen Lambrusco trinken?

Ferdinand: Ich würde ihn nicht nur trinken, ich habe ihn sogar auf der Weinkarte - und davon ganz viele.

Philipp: Da sind wir wieder beim Thema Pauschalierung: Mit dem Lambrusco ist das genauso wie mit Prosecco. Es gibt beim Prosecco mehrere Spielarten und verschiedenste Qualitätsstufen. Die besten Proseccos kommen aus der Gegend der beiden Gemeinden Conegliano und Valdobbiadene. Genauso wie es eben bei Lambrusco höherwertigere Bereiche wie Sorbara oder auch Grasbarossa gibt. Die Problematik ist: Du kriegst es hier fast nirgendwo zu kaufen - drum kennt das niemand. Cartizze Prosecco etwa, habe ich im Handel noch nicht wirklich gesehen. Cartizze ist das Filetstück zwischen Conegliano und Valdobbiadene. Prosecco wird gerne mal als billige Brause beschimpft, aber auch nur, weil die meisten eben die höheren Qualitäten nicht kennen. 

Markus: Man verbindet Prosecco mit wenig Geld und das ist das Problem. Höhere Qualität kostet dann halt auch richtig was, oder? 

Ferdinand: Nein, nicht mal. Ein Cartizze kostet etwa 11 € die Flasche. Das ist wirklich noch in Ordnung. Ich glaube, es ist wie überall in der Weinwelt. Man darf keinen Wein pauschalieren. Außer bei Lugana gibt es in jedem Segment Ausnahmen. Aber Lugana habe ich wirklich noch keine guten getrunken…

Ihr seid ja viel unterwegs, könnt Ihr einem Laien ein spezielles Weingut empfehlen? Gibt es da Favoriten? 

Markus: Martin Pasler im Burgenland. Wirklich sympathisch und direkt mit Ausblick auf den Neusiedlersee. Da kann man dann auch betrunken schwimmen, weil es eh nur zwei Meter tief ist und er hat auch einen Whirlpool - das macht’s noch sympathischer.  

Ferdinand: Weingut Foradori. Unter anderem in den Dolomiten ansässig, aber auch in der Toskana haben die ein Weingut mit zwei Gesellschaftern. Und wenn man mal in der Wachau ist: Domäne Wachau und das Weingut Alzinger. Dort sollte man unbedingt mal den alten Winzer treffen. Ein tolles Erlebnis, wie er fast schon stoisch durch sein Weingut geht und alles erklärt. Irgendwann taut er auf und macht seine Wahnsinnsweine auf und dann wird es laut und lustig. Beziehungsweise: Nicolaihof, weil er als erster Weißwein Europas 100 Parker Punkte bekommen hat.

Eric: Ein Weingut an der Mosel: J.J.Prüm. Das Weingut macht restsüße Weine. In jungen Jahrgängen ist es viel zu schade, zu trinken. Da kommt noch garnicht das ganze Potenzial zum Vorschein. Aber gereift: Oha. Zur Weinprobe dann kochen sie Rehgulasch und machen etwas Restsüßes auf von 87 oder 88. Zusammen mit dem Reh knallt es dich um. Das ist pure Emotion.

Angie: Mich haben Martin Pasler aus Jois und Heidi Schröck aus Rust im Burgenland sehr fasziniert. So schön, wenn Winzer mit solch einer Hingabe das Beste aus Ihren Trauben machen. Heidis Süßweine sind der pure Wahnsinn und ihre Gedanken dahinter, wie man Süßwein durchaus mit etwas deftigerem Essen genießen kann, absolut richtig. Eine wirklich tolle Winzerin mit sehr großem Herz und sehr viel Wissen dahinter, sowie für mich auch Birgit Braunstein, ihre Amphorenweine die sowas von reif sind, mit so viel Kraft dahinter, außerdem beeindruckende Mineralik und Struktur. Ebenfalls eine Winzerin aus Leidenschaft.

Alle Winzer, die jetzt genannt wurden sind Top-Betriebe. Sollte man da vorher Termine fix vereinbaren?

Philipp: Auf jeden Fall! Bei vielen Weingütern gibt es zwar einen Verkaufsraum bzw. eine Vinothek, wo man einfach reingehen und zusammen mit einem Verkäufer die aktuellen Jahrgänge probieren kann. Aber wenn du dich wirklich dafür interessierst und mit dem Winzer sprechen möchtest, musst du im Vorfeld einen Termin vereinbaren.

Reden wir über Klischees: Ein Rotwein muss immer mit Zimmertemperatur serviert werden?

Markus: Temperatur ist das A und O beim Wein trinken. Wir haben so ein Glück bei uns in der Bar, dass das eigentlich sehr gut angenommen wird. Wir haben überhaupt kein Eis - nur für Gin Tonic oder Wodka Tonic. Das war’s, ansonsten haben wir nur Trockenkühler. Auch für Champagner. Die Rotweine servieren wir bei ca. 16 bis 17 Grad und teilweise fragen die Leute schon, warum der Wein so kühl ist. Wenn du ein 0,1 l-Glas hier drinnen hast, das temperiert ganz schnell nach oben. Und wenn du das den Gästen erklärst, dann verstehen sie es auch. Hier und da gibt es immer ein paar Gäste, die unbedingt Eis brauchen. Dann leeren wir Ihnen Eis in den Trockenkühler und stellen den Wein drauf.

Also lieber kühler einsteigen, weil wärmer wird er von selbst?

Markus: Bei Rot. Bei Weißwein hat sich eigentlich alles gewandelt. Früher hast du alles gleich kalt getrunken. Und jetzt ist eigentlich wieder der Wandel in die andere Richtung. Ich habe meinen Weinkühlschrank zu Hause eingestellt auf 12 Grad bei Weißwein und 15 Grad bei Rotwein.

Eric: 15 Grad bei Rotwein zum Lagern. Wenn du ihn rausholst, wird er eh warm. Und Weißwein auf 12 Grad. Der entfaltet sich bei wärmerer Temperatur auch viel besser. Bei einer eiskalten Cola hast du auch keinen Geschmack. Und wenn du kalten Wein trinkst, riechst Du ja nichts. Du hast ja kein Empfinden. Und bei Rotwein finde ich, entfaltet es sich einfach um einiges schöner, wenn er kühl startet.

Ferdinand: Aber ein Schwarzriesling von Günther Steinmetz, runtergekühlt im Sommer. Wunderbar!

Philipp: Thema Zimmertemperatur. Dieser Begriff ist ja entstanden, als es damals noch die alten Schlösser gab, wo Zimmertemperatur bei weitem nicht die war, die wir heute haben. Ich finde auch gerade bei Rotwein, lieber ein bisschen kühler servieren. In dem Moment, wo du den Wein ins Glas gibst, nimmt die Temperatur des Weines gleich um ca. 1 Grad zu. Je wärmer ein Rotwein wird, desto mehr drängt sich dann beim Geschmacksprofil der Ausbau im Holz sowie der Alkohol hervor. Auch die Tannine werden viel stärker und ruppiger in der Wahrnehmung. Dann kann es passieren, dass selbst der beste Rotwein einfach nur noch brandig und ausgetrocknet am Gaumen wirkt. Die Frucht, die man doch eigentlich haben will, kommt meiner Meinung nach wunderbar zur Geltung, wenn der Wein etwas kühler serviert wird. Aber eben auch nicht zu kühl. Beim Weißwein ist es genau umgekehrt. Gutsriesling oder ein frischer, leichter Sauvignon Blanc bei sechs bis sieben Grad. Da hast du Spaß auf der Sommerterrasse. Die großen weißen Burgunder dieser Welt dagegen machen - für mich zumindest - erst zwischen 10 bis 12 Grad richtig Spaß.  

Wie wichtig ist das Dekantieren von Rotwein, wenn ich zu Hause Gäste habe? Oder ist das auch wieder nur ein Mythos?

Markus: Ich belüfte sehr viel in der Bar. Weißweine belüftet man, Rotweine dekantiert man. Und wir belüften auch sehr viele Weißweine. Also so einen 2016er Welschriesling würde ich jetzt nicht unbedingt belüften, das hat auch keinen Sinn, aber ich glaube, das hat viel mit Gefühl zu tun. Karaffieren, Dekantieren - darüber kann man viel streiten. Ich glaube jeder am Tisch hat eine andere Meinung.

Ferdinand: Wir haben jetzt gerade vor uns einen Teroldelgo von Elisabetta Foradori stehen, der in der Empore ausgebaut wurde. Dieser Wein braucht bis zu 13 Stunden, um sich voll zu entwickeln. Und wenn man diesen Wein tatsächlich in den Dekanter schüttet, dann geht der Prozess viel schneller. Weil der Gast hat ja niemals Zeit, 13 Stunden im Restaurant zu sitzen.

Philipp: Aber die Grundfrage ist ja: Warum dekantiert man?  Grund eins:  Zur besseren Entfaltung des Aromas und Geschmacks des Weines. Grund zwei: Zum Trennen vom Depot, sprich dem Sand der sich im Laufe der Zeit unten an der Flasche bildet. Grund Drei: Für die Show im Restaurant. Prinzipiell kannst du (fast) jeden Wein dekantieren - bis auf beispielsweise einen reifen, filigranen Burgunder. Der kann dir schnell kippen und zu Essig werden durch zu viel Luftzufuhr. Der Wein ist ein lebendiges Produkt: Er schläft z.B. 20 Jahre in der Flasche, jetzt kommst du daher, ziehst den Korken und schüttest Ihn in die Glaskaraffe  - das ist, wie wenn ich nachts zu euch nach Hause komme, euch wachrüttle und sage: Komm jetzt arbeiten, 12 Stunden Vollgas! Da sagst Du auch - ruhig, erst mal einen Kaffee! Und so ist es bei manchen Weinen letztendlich auch. Wenn du jetzt so einen reifen Wein, der lange geschlafen hat, entkorkst und direkt dekantierst, dann sagt der auch: Was ist denn hier los? So manche reifen Weine brauchen nach dem Öffnen einfach nur etwas Zeit und Ruhe im Glas, bis sie sich auch aromatisch öffnen und zeigen, was sie drauf haben. Bei einem reifen Bordeaux oder Burgunder bin ich daher bei der Frage dekantieren oder nicht lieber etwas vorsichtig. Erst mal den Probeschluck nehmen und dann auf das eigene Gefühl vertrauen, ob es dem Wein gut tun würde oder eben nicht.

Eric: Wenn du jetzt zu Hause bist und Gäste hast, dann empfehle ich die Flasche etwa zwei Stunden vorher aufzumachen und zu probieren. Wenn Du den Wein kennst, dann weißt du, wie er schmeckt und weißt, was Du tun musst, damit der Wein dorthin kommt. Oder du dekantierst ihn. Wenn du ihn in eine Karaffe füllst, heißt es ja nicht, dass er dann auch 13 Stunden dortbleiben muss. Du kannst ihm auch nur kurz Luft geben und dann zurück in die Flasche füllen. Auch ein ganz guter Effekt.

Euer persönlicher Lieblingswein?

Angie: Das kann ich gar nicht genau sagen, da es so eine unglaubliche Vielfalt an Weinen gibt, die alle zum großen Teil sehr, sehr unterschiedlich sind. Und da ich noch lange nicht in den Genuss von „allen“ gekommen bin - was für jeden unmöglich ist, leider... - kann ich das nicht genauer definieren. Ich kann allerdings sagen, wenn mir etwas besonders gut schmeckt. So wäre das zum Beispiel der Champagne Gonet-Médeville, Blanc de noirs, brut. Ein weißer Champagne, der aus roten Trauben erzeugt wird, in diesem Falle aus der Pinot Noir-Traube. Er ist defintiv kein leichter, frischer Champagne, er ist eher auf der kraftvollen, briochigen Seite mit sehr angenehmer, feiner Perlage. Außerdem gefallen mir die Rotweine von Dominik Huber aus dem Priorat, Spanien, sehr gut. Mein Favorit unter Ihnen, 2011 Torroja Vi de la Vila, eine Cuvee aus Garnacha und Carinena. Eine Wahnsinns Beerenaromatik, toll saftig, samtig im Abgang und ein schöner Trinkfluss.

Eric: Ein 86er Ducru Beaucaillou sowie ein 04er Chateau Montrose. Ich liebe Bordeaux, bin ein Fanatiker. Ich bin einfach beeindruckt von dem Wein, von der Herkunft, von dem Gedanken, dass sich so früh schon ein Typ überlegt hat, wie er diese Klassifizierung im Bordeaux macht. Ich finde es einfach mega. Also ich feiere das einfach extrem dieses ganze Brimborium, was Drumherum noch gemacht wird. Ganz ehrlich - ich komme ja auch nicht in den Genuss, alle zwei, drei Tage mal einen Bordeaux zu trinken. Ein Kollege und ich haben da echt ordentlich darauf gespart. Und da war das eben. Auch sehr spannend fand ich es bei Martinez. Ein kleines Weingut in Galizien. Da war 2010 im Glas und was der uns da ausgeschenkt hat - ich dachte, ich bin im Himmel. Das schmeckte - egal, ob rot oder weiß - sowas von filigran, was ich bis dato nur aus dem Burgund kannte. Und das, was der liebe Martinez für Rebsorten benutze, waren andere als die, die im Burgunf gedeihen.. 

Markus: Ein fixer Wein? Schwierig! Aber von der Stilrichtung her, bin ich ein wirklicher Fanatiker von französischen Weinen, nicht unbedingt Burgund oder Bordeaux, sondern eher der Norden, Richtung Loire. Auch im Süden in Roussillon. Das wurde jahrzehntelang nicht geschätzt, denn die Böden, alte Reben und das Land hat bis vor kurzem nichts gekostet. Also wenn du Winzer werden willst und geile Böden haben willst, dann geh nach Roussillon. Mittlerweile sind da auch Top-Leute, wie Tom Lubbe vom Weingut Matassa am Werke und deswegen wird es ein bisschen teurer. Das ist schon ein geiles Gebiet. Die Loire haut dich von der Landschaft her nicht um. Es ist flach, aber die Rebsorten sind unglaublich vielfältig dort. Du kannst es süß ausbauen oder sparkling oder staubtrocken.

Ferdinand: Dem schließe ich mich an. Es ist nämlich wirklich schwer als Sommelier zu sagen, das ist mein absoluter Lieblingswein. Wir trinken in unserer Laufbahn sehr viele gute Weine und da zu sagen, das ist mein Lieblingswein - sehr schwer. Vor kurzem habe ich in der Grapes Weinbar einen Orangewein getrunken, da musst du mir tatsächlich weiterhelfen. Ich weiß nicht mehr was es war. Auf jeden Fall aber so gut, dass ich schon ein zweites Mal da war.

Markus: Das war eine autochthone Rebsorte, die nennt sich Tardana. Aus Valencia. Es ist auch ein bisschen Macabeo dabei: Das ist eine Rebsorte, die man öfters in Südfrankreich und in Spanien findet. Es ist ein super saftiger, easy drinking Wein, den man Sommer wie Winter trinken kann. Er hat ein bisschen Textur durch die Maischestandzeit.

Philipp: Es ist wirklich eine wahnsinnig schwer zu beantwortende Frage. Wenn ich mich jetzt auf einen Weißwein festlegen müsste, dann wäre das Frühlingsplätzchen von Emrich Schönleber – einfach, weil ich diesen Wein schon unglaublich oft getrunken habe in verschiedensten Jahrgängen und immer sehr viel Freude damit hatte. Wenn es um Rotwein geht liebe ich natürlich das Burgund, so wie wir alle, denke ich. Ich bin aber auch ein großer Fan der Weine aus dem Bordeaux, beispielsweise Château Ducru Beaucaillou.

Zum Abschluss noch ein Tipp für den ganz normalen „Weintrinker“?

Eric: Das Wichtigste ist in meinen Augen, dass man einfach trinkt und genießt. Beim Wein gibt es so viele Mythen, die nicht stimmen. Daher: Egal, was über einen Wein gesagt wird, oder was andere sagen: kauft es, trinkt es, genießt es! Und entscheidet dann. Und sie sollten verstehen, was sie mögen. In welche Richtung sie gerne trinken. Süß, sauer, fruchtig – egal! Im Restaurant sollte man sich darauf konzentrieren, was für den Gast am wichtigsten ist. Und dann ist eigentlich alles safe. 

Ferdinand: Und noch eine Bitte: Es gibt nur „schmeckt“ oder “schmeckt nicht“. Wenn Ihr dem Sommelier sagt, das schmeckt euch, dann schmeckt es euch. Wenn nicht, dann nicht. Dann könnt ihr schon sagen, dass ihr euren Geschmack gefunden habt. 

Ein gutes Schlusswort. Herzlichen Dank an Euch alle für dieses interessante Gespräch.

 

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