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Martin Gasteiger

INTERVIEW

Über den Golfplatz seiner Tante kam er einst in die Gastronomie. Heute ist er Geschäftsführer im berühmten Auracher Löchl in Kufstein sowie für das Boutique-Hotel „Träumerei #8“ und die Gin-Bar "Stollen 1930" verantwortlich.

25. August 2017

Lieber Martin, seit 2008 bist Du Geschäftsführer im Auracher Löchl in Kufstein und seit Mai 2016 hier für das Boutique-Hotel „Träumerei #8“ sowie die Gin Bar "Stollen 1930" verantwortlich. Mit welchen Herausforderungen hattet Ihr zu kämpfen als Ihr den Traditionsbetrieb in die Moderne geführt habt?

Das Haus selbst hat eine lange Tradition - über 600 Jahre ist es alt. Das Schwierige war wirklich, diese Geschichte mit der Moderne in Verbindung zu setzen. Wir haben nächtelang nicht geschlafen, für das Hotel gesammelt wie Wilde und geschaut, dass wir diesen Zusammenhang herstellen. Ich glaube, es ist uns gut gelungen. Herausforderungen gab es viele, weil bei so einem alten Haus ständig was kaputt geht. Es tauchten auch viele Untiefen auf, etwa wo früher einfach mal was vergraben oder versteckt worden ist.

Jedes Zimmer in Eurem Boutique-Hotel hat ein eigenes Motto…

Exakt: Früher war das hier im Tiroler Landhausstil mit hellen Fichtenholzmöbeln eingerichtet. Das  passt vielleicht in ein kleines ländliches Dorf, aber wir konnten damit nicht mehr leben und wollten etwas Einzigartiges schaffen. Jedes Zimmer wurde individuell geplant. Unser Hausmaskottchen, die schwarze Katze, ist quasi auf Reisen gegangen und hat jeden Tag oder jedes Jahr eine andere Stadt entdeckt. So sind 34 Zimmer aus 34 unterschiedlichen Regionen und Städten entstanden.

Das heißt ich kann bei euch im Hotel eine Zeitreise machen von Transsilvanien über Marrakesch nach Rom und  London…

Und noch mit einem Zwischenstopp in Zell am See. Wir haben die Sachen nicht bewusst gesucht, sondern auf Reisen gefunden oder auf dem Dachboden entdeckt. Da waren wirklich Sachen dabei, die andere längst in den Sperrmüll geschmissen hätten. Wir sind auch auf Flohmärkte gefahren und haben gekauft, was uns gefallen hat. Das Schwierige war, das alles zusammenzusetzen und dem richtigen Motto im Zimmer zuzuordnen.

Ihr habt im Prinzip erstmal gesammelt, gesammelt, gesammelt und dann wie ein Puzzle rausgesucht: „Hoppla, was passt zu welchem Motto und welchen Namen geben wir jetzt dem Zimmer?“

Genau. Wir haben ein Raumbuch angelegt, wo wir gesagt haben: „Okay, dieses Motto passt zu dem, dieses zu dem…“ Wir haben natürlich auch wieder die Motti und Regionen geändert und dadurch ist es dann ein bisschen einfacher geworden. Aber diesen wahllosen Haufen zu trennen und zuzuordnen war wirklich eine Herausforderung. Gesammelt haben wir drei oder vier Jahre und geplant haben wir weitere zwei Jahre für das Hotel.

Ihr hattet also viel Vorlaufzeit und trotzdem läuft nicht immer alles reibungslos, wenn man ein altes Haus in die Moderne führt, oder?

Vor allem die Auflagen sind mittlerweile eine Herausforderung. Sei es der Brandschutz, Genehmigungen von Behörden oder ob das Gebäude auch wirklich die richtige Farbe nach außen hat. Da musst du wirklich schauen…

In der Tat! Wie würdest Du jemanden, der noch nie in Kufstein war, den Standort von der Träumerei #8 beschreiben?

Kufstein befindet sich direkt am wunderschönen Inn, mitten im Herzen Tirols, mit perfektem Blick auf die Bergwelt. Hier ist es wirklich authentisch. Unser Haus liegt unterhalb der Festung und hat eine lange Tradition. Für mich ein ganz besonderes Stück Erde. 

Das Hotel wird durch eine romantische Laubengasse mit Eurem Restaurant und alten Gasthaus verbunden.

Früher hatten wir oft Hochwasser in Kufstein. Deshalb sind die Restaurants in der Nähe vom Fluss immer im ersten Stock. Bei uns gibt es eine kleine Brücke rüber, die heißt Seufzerbrücke und da ist unser kleinstes Brückenrestaurant. Auf der Hotelseite haben wir uns etwas Lustiges einfallen lassen: In unserem Zimmer 69, dem Whirlpool-Zimmer, ist ein Doppelbett über den Whirlpool gelagert. Hier kann man entspannt baden und die Zeit zu zweit genießen. Das Bett lässt sich automatisch rauf und runterfahren.

Das Ganze wird abgerundet von einer Bar, die wirklich seinesgleichen sucht und die man eigentlich in Metropolen wie New York oder London erwarten würde. Was verbirgt sich hinter der Gin Bar „Stollen 1930“?

Die Idee von der Bar im Auracher Löchl im Festungsberg hatten wir schon vor einigen Jahren. Nur wussten wir anfangs nicht so recht, was wir dort machen sollten. Wir sind dann in verschiedene Städte gereist -  von London über Paris, Barcelona  bis nach Shanghai, wo es an die 8000 verschiedene Bars und Restaurants gibt. Wir waren auch in Prag, was uns wegen der vielen alten Gebäude und Bars sehr beeindruckt hat. Dort ist die Idee geboren, in die Prohibitionszeit zurückzugehen: Also in die 30er Jahre, wo der illegale Alkoholausschank im Hinterzimmer stattfand. Genau aus diesem Motto ist die Bar entstanden:  Stollen 1930. Wir haben alles im Vintagestyle eingerichtet: Ein Geländer zum Beispiel kommt vom Friedhof, wir haben einzigartige Sachen aus einem Schloss aus dem 18. Jahrhundert gefunden und das Ganze kombiniert mit unserer Liebe zu Gin. Wir führen die weltgrößte Gin-Sammlung mit 888 verschiedenen Sorten. Damit sind wir sogar im Guinness Buch der Rekorde.

Für Gin-Liebhaber ist die Bar also ein absolutes Muss, aber schon die Örtlichkeit, mitten im Stollen unterhalb der Burg hat einzigartiges Flair. Wie seid Ihr auf diesen Stollen gekommen?

Die Geburtsstätte vom Auracher Löchl war nichts anderes als das kleine Löchl, das zum Bierbrauen diente. Im 14. Jahrhundert haben sie Eisblöcke vom Inn und den Seen rausgeschnitten und dort drinnen gelagert.  Sommer wie Winter misst man hier 8 Grad - ideal zum Bier lagern. Erst im 19. Jahrhundert sind dann die Weinfässer reingekommen und später war es eine Rumpelkammer, die lange in Vergessenheit geraten ist. Wir haben sie wiederentdeckt und daraus ist der Stollen 1930 geworden.

Wie seid ihr auf die Thematik Gin gekommen?

Als wir vor vier Jahren den Stollen konzipiert haben, war Gin noch kein Thema, das kam später. Wir waren immer schon begeisterte Gin-Trinker und es passte zu unserem Vintage-Konzept: Keiner will mehr glatte Jeans, zerrissen müssen sie sein.  Der Servicemitarbeiter muss tätowiert sein, und, und, und.

Was sind deine Top-3 Gins?

Bluecoat aus Amerika  - ein toller Gin, sehr wacholderlastig. Dann Opihr -  dieser Gin kommt aus Marokko und ist mit Kardamom und orientalischen Gewürzen destilliert worden. Aber auch einen deutschen Gin mag ich sehr gern: Monkey 47 hat richtig Kultstatus und hat den Gin in Europa nach vorne gebracht.

Du sagst es. Gin erlebt gerade wieder sein Revival. Doch neben dem Gin spielt auch Tonic Water eine Rolle?

Gin ist immer die Essenz, Tonic die Verlängerung. Was nutzt die beste Essenz, wenn das Parfüm nachher nicht gut ist. Wir haben 22 verschiedene Variationen von Tonic Water. Weltweit gibt es mehr als 200. Fast jeder Limonadenhersteller macht mittlerweile Tonic, um auf den Zug aufzuspringen. Natürlich gibt es auch einige Gute, aber oft ist zu viel Zucker enthalten.

Zurück nach Kufstein: Welche Gäste kommen zu Euch? Mehr Business oder die Wochenendtouristen?

Wir haben insgesamt 34 Zimmer, davon sieben Einzelzimmer, der Rest Doppelzimmer sowie das spezielle 69er-Zimmer. Unter der Woche haben wir sehr viele Geschäftskunden, die uns kennen und unser Haus lieben. Durch die Nähe zur deutschen Grenze hat Kufstein viel internationales Publikum.  Auf der anderen Seite kommen Genuss-Freaks und Gastronomen mit eigenen Betriebe, die sich an unseren Ideen bereichern, ein bisschen die Zeit vergessen wollen und zurück zum Ursprung des Gastgewerbes zurückkehren möchten.  Das heißt: Den Gast begeistern, ihm täglich etwas anderes bieten, verstehen, was er will!  Heutzutage investieren Hotels in Wellnessbereiche mit tausenden von Quadratmetern. Aber das, was wirklich am wichtigsten ist, nämlich der Mitarbeiter, der mit dem Gast umgeht, darauf wird viel zu wenig geachtet. Unsere Mitarbeiter sind zum Teil schon acht oder neun Jahre bei uns – ein USP.

Was würdest du dem Wochenendtouristen in der Region Kufstein empfehlen?

Auf alle Fälle die Glasfabrik von Riedel. Wirklich toll. Natürlich sind wir auch die schönste Region Österreichs, das darfst du nicht vergessen! Wir haben das Kaisertal. Das ist einen Fußmarsch von hier entfernt und dort gibt es wirklich unzählige Aktivitäten. Von Seen über Berge kann man eine Menge unternehmen. Für jeden ist etwas dabei.

Bei der Suche nach Stilmitteln für Euer Hotel seid Ihr viel unterwegs gewesen. Hast Du eine persönliche Empfehlung für Hotels und Restaurants?

Was uns richtig inspiriert hat, war Hamburg -  eine meiner Lieblingsstädte. Ich empfehle dort das Le Lion, eine der besten Bars der Welt sowie das Hotel Gastwerk, das nur aus alten Ziegeln besteht. Interessant, was man aus so einem alten Haus machen kann. Auch in Prag gibt es einige tolle Hotels. Die Barkultur dort ist wirklich der Wahnsinn. Die haben richtig alte Häuser und irgendwo unten im Keller versteckt Alchemisten, die die alte Barkultur aufleben lassen, zum Beispiel in der Anonymous Bar. In London gibt es natürlich an jeder Ecke unzählige Möglichkeiten. Und in New York empfehle ich Wolfgang‘s Steakhouse - das hat uns in der Küche weitergebracht. Vor kurzem waren wir in Stockholm, eine der beeindruckensten Reisen, die ich bis jetzt gemacht habe. Der Wahnsinn - gastronomisch gesehen. Dort gibt es eines der besten Steakhäuser, die ich kennen gelernt habe, das AG Restaurang. Schwer zu finden, der Eingang ist nicht offen ersichtlich, man sitzt in einer alten Schlachthalle. Die haben unglaublich tolle Vor- und Nachspeisen und die Steaks sind zum Teil selber gereift.

Ihr habt hier viel angestoßen und investiert: Das muss sich natürlich irgendwie amortisieren. Welche Philosophie habt ihr da - gerade auch im Zeichen der digitalen Medien?

Am wichtigsten ist für uns immer der Gast: Der muss im Mittelpunkt stehen. Wenn der nach außen hin alles transportiert, was uns wichtig ist, dann haben wir gewonnen. Natürlich geht es nicht ohne Facebook oder den einen oder anderen Redakteur, der auf uns aufmerksam macht. Trotzdem sind für uns die Gäste das Wichtigste. Wenn die nach außen hin alles so weitertragen, dann geht es uns wirklich gut.

Man merkt die Dynamik hier drin. Habt Ihr neue Projekte in der Planung?

Wir befinden uns ja direkt am Festungsberg und haben hinten raus ein relativ großes Grundstück, wo man wirklich was machen kann. Was, sage ich nicht, das wird eine Überraschung werden.

Wie würdest Du Euren Mikrokosmos in einem Satz für potentielle Gäste beschreiben?

Einfach zu uns kommen und selbst erleben.

Viele fahren an Kufstein vorbei. Wie weit seid ihr von der Autobahn weg? Welchen Umweg muss man in Kauf nehmen um sich das mal vor Ort hier anzuschauen?

Im Prinzip gar keinen: Der Bahnhof ist ungefähr 500 Meter entfernt und die Autobahn auch nur einen halben Kilometer. Man fährt rein nach Kufstein und durch eine ganz schmale Laubengasse. Man muss nicht vorher anrufen beim Hotel, sondern man darf einfach durchfahren. Es gibt hoteleigene Parkplätze hinter dem Torbogen und man ist mittendrin. Besser geht es eigentlich nicht.

Noch kurz Deiner Person: Wie bist Du in die Gastronomie gekommen?

Durch den Golfplatz meiner Tante. Ich war in Kitzbühel der Mann für alles auf dem Golfplatz, habe geschaut, dass es funktioniert, dass der Platz überlebt. Die Wintermonate verbrachte ich immer in Zürs am Arlberg. In der Zeit habe ich viele Gäste kennengelernt, die mich geprägt haben. Interessante Persönlichkeiten, große Unternehmer. Ich fand es faszinierend, wie diese Leute auch mit ganz „normalen“ Menschen umgehen.  Da hast du Wertschätzung gegenüber den Menschen wiederentdeckt. In Kitzbühel ist die Wertschätzung der Gäste tendenziell nicht so groß. Hier gibt es viele Neureiche, wo nur Geld zählt.

Gibt es eine bestimmte Persönlichkeit, die für Dich prägend war?

Der Fürst von Monaco. Über den hört man auch vieles. Aber ich finde, Albert hat einen sehr guten Umgang mit den Menschen, eine gute Schule hinter sich. Er hat mich mit Martin angesprochen und das war für mich ein Zeichen: Es kann auch anders gehen. Er hat diese Wertschätzung nie verloren.

Ein schöner Abschluss! Vielen Dank, Martin für dieses interessante Gespräch!

 

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