Steffen Schraut - Lifestyle-Insider.com

Steffen Schraut

INTERVIEW

Der deutsche Modemacher über seine minimalistischen und detailverliebten Kreationen, seine Begegnung mit Beyoncé und warum er in Hotels immer das gleiche Zimmer bucht.

02. Juni 2017

Lieber Steffen, hier in Deinem Show-Room möchte ich gleich mit ein paar Statements über Dich einsteigen. So heißt es: Sein Stil gilt als dynamisch und unkonventionell, luxuriös und sexy, zeitlos und feminin. In der Gesamtheit schlicht, doch bei näherem Hinsehen entdeckt man immer etwas Besonderes. Siehst Du das ähnlich?

Unsere Idee war Mode für moderne Frauen zu machen. Und modern hat nichts mit dem Alter zu tun. Deswegen ist unser Stil einerseits modern, andererseits stellt er aber die Trägerin in den Vordergrund. Wir möchten Lieblingsteile entwerfen, in denen sich unsere Kundin unheimlich wohl fühlt. Denn was sie trägt, bringt ihr Sicherheit. Sie kommt damit gut an, sie bekommt Komplimente. Und am Ende hat sie das Teil so liebgewonnen, dass es mehr als eine Saison überlebt. Das war immer die Idee oder der Wunsch. Für mich sind Werte sehr wichtig. Wir leben in dieser wahnsinnig schnelllebigen Zeit und deswegen wollte ich etwas erschaffen, was nicht ganz so schnell ausgetauscht wird.

Also das Gegenteil der Wegwerfgesellschaft. Sind Nachhaltigkeit, Wertigkeit und Beständigkeit damit auch ein Teil der Philosophie oder DNA der Marke „Steffen Schraut“?

Absolut - und immer in Verbindung mit guter Qualität. Wir haben zum Beispiel mit der neuen Saison kein Echtfell mehr in der Kollektion. Als modernes Fashion Label finden wir diesen Schritt richtig.

Du warst früher im eigenen Familienunternehmen und als Trendscout tätig. War Dein eigenes Label für Dich schon ein Ziel?

Ich glaube die Vision oder besser der Traum, der war schon immer da. Dass das durch Zufall funktioniert hat, hat mit vielen Mentoren, wichtigen Menschen und Begegnungen, harter Arbeit, viel Disziplin und wahnsinnig viel Glück zu tun. Unsere Mitarbeiter sind ein Kreativ-Team und ich der Meinung: Never change a winning team.

Drehen wir das Rad noch einmal zurück. Du bist vor 15 Jahren angetreten, den deutschen Modemarkt zu verändern. Bei all den Entwicklungsprozessen, kann man da seiner Linie treu bleiben?

Absolut. Ein wichtiger Punkt war für uns der Fokus auf Einzelteile. Wir wollten nie Komplett-Outfits machen und „total Looks“ kreieren, den ich auch heute noch genauso unmodern finde, wie vor 15 Jahren. Das war damals eine kleine Revolution, der Kunde war es gewohnt eine Marke von Kopf bis Fuß zu tragen. Am Anfang war unsere Kollektion für viele Kunden schwierig zu verstehen. Aber heute haben viele Mitbewerber dieses Konzept übernommen. Denn die moderne Frau wünscht sich „Cross Dressing“ - übrigens eines der wichtigsten Buzzwords in der Modebranche. Es bedeutet den Mix von Labels, Marken und auch Preislagen. Man trägt nicht nur die teuren Looks, sondern kombiniert den Designer mit einem günstigen Teil.

Interessant…

Vor 15 Jahren war das vielleicht noch zu modern für viele. Aber die Branche hat sich genau in diese Richtung entwickelt und wir standen immer schon dafür. Das ist unser Vorteil. Heute versuchen viele andere, die immer Komplett-Kollektionen hatten, auch Einzelteile heraus zu bringen. Das nimmt man der Marke nicht immer ab.

Mit der  Einzelteilstrategie warst du ein wahrer Trendsetter. Drehen wir noch weiter zurück: Du entstammst ja einem schwäbischen Familienunternehmen, das spezialisiert war auf Blusen: Hämmerle. Ist Dir dadurch die Liebe zur Mode automatisch in die Wiege gelegt worden? Oder kam das später?

Es gibt in der Situation nur zwei Alternativen. Man bekommt es in die Wiege gelegt und mag es. Oder es entwickelt sich das Gegenteil, dass man damit nichts zu tun haben möchte. Ich glaube bei mir war es eine glückliche Fügung. Mein Spielplatz war das Stofflager und die Anproben mein absolutes Highlight. Ich fand das unheimlich spannend. Aber ich glaube, es hätte auch das genaue Gegenteil passieren können. Wie meine Eltern arbeiten mussten: der Stress, die fehlenden Wochenenden, Messen. Diese Modewelt ist eine spezielle Branche. Dagegen kann man schon Argwohn entwickeln. Mich hat das sehr schnell fasziniert. Dennoch musste ich meinem Vater zuliebe als Grundstock eine Banklehre machen. Das fiel mir sehr schwer. Er sagte damals: „Der Junge muss erstmal was richtiges Lernen. Und es wird ihn sein Leben lang begleiten. Irgendwann wird er mir dankbar sein.“  Das habe ich damals nicht erkannt, aber heute hilft es mir sehr.

Du sprichst die Thematik Unternehmertum an. 2016 war kein leichtes Jahr für die Modebranche. Welche Mechanismen gibt es bei Dir als Unternehmer, um sich genau gegen solche Krisen zu wappnen? Denn es ist ein schwieriges Marktumfeld. Und da ist natürlich nicht der Designer sondern auch der Unternehmer gefragt…

Wir hatten von Anfang an eine ganz klare Strategie. Und diese Strategie in Verbindung mit einer Vision. Wir wussten um die DNA unserer Marke, aber auch ganz klar, was wir nicht machen wollten. Mit Veränderung der Marktsituation ist es natürlich unheimlich schwer, eine Strategie beizubehalten. Wir sind von der ersten Stunde, auch bis zum heutigen Tag, komplett eigenständig und bankunabhängig. Wir haben keine Investoren, keine Geldgeber, keine versteckten. Das gibt uns große Flexibilität. Wir machen wirklich zu 100 Prozent, was wir wollen. Wir sind ein extrem solides Unternehmen, da wir nie Risiken eingegangen und  unserer Linie treu geblieben sind. Das ist der Grundstock und liegt sicher ein bisschen an meinen schwäbischen Wurzeln.

Und damit hat man als Unternehmer, oder als Unternehmen, immer eine Grundbasis beibehalten?

Es hat aber auch mit der persönlichen Einstellung zu tun: Wir begleichen unsere Rechnungen an dem Tag, an dem sie in die Firma kommen. Wir müssen unsere Mitarbeiter bezahlen, unsere Stoff-Lieferanten, die Produzenten und müssen die Ware schließlich an unser Lager schicken. Die Kette bis zum Einzelhändler ist wahnsinnig lang. Außerdem war es immer Teil unserer Idee, Begehrlichkeit zu wecken durch ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Heutzutage sind Frauen besonders durch Social Media extrem informiert. Man weiß genau, welches Teil es zu welchem Preis gibt. Wir bewegen uns in einem Luxus-Premium-Umfeld, wo sich die Preisspirale die letzten Jahre immer weiter nach oben entwickelt hat. Die internationalen Marken werden immer teurer, aber wir sind sehr kontinuierlich. Das ist eines der Erfolgsrezepte, unser Konzept und diese Vision beizubehalten. Und da gehört das gute Preis-Leistungs-Verhältnis dazu.

Thema „Erfolgskonzept“ – das habt Ihr wirklich kredenzt! Ihr seid heute in mehr als 800 Shops in über 20 Ländern vertreten und seid immer stringent Euren Weg gegangen. Musstet Ihr trotzdem Kompromisse schließen?

Ganz am Anfang hatten wir nur eine sehr kleine Kollektion: Fünf T-Shirts, zwei Hosen, zwei Pullover. Das war in dem Sinne keine Kollektion. Und unsere Grundidee basierte darauf, exklusiv bei nur einem Top-Händler pro Stadt zu verkaufen. Und wir setzten auf Werbung in den Luxus-Modemagazinen. Nach der dritten Saison wurde die Kollektion immer größer. Und natürlich hat man in den großen Städten Hamburg, München, Frankfurt, Berlin, Düsseldorf immer die Thematik, dass plötzlich mehrere Geschäfte die Ware verkaufen möchten. Es war dann an der Zeit, unser Muster aufzubrechen: Exklusivität ist okay für die ersten Jahre, aber es gibt auch den zweiten guten Händler, der sich mit dem anderen verträgt und vielleicht ein anderes Konzept hat. Heute haben wir ca. 200 Modelle in der Kollektion mit 600 verschiedenen Varianten. Wir liefern bis zu achtmal im Jahr neue Ware. Und ich glaube der Kunde hat dann auch relativ schnell verstanden, dass er bei diesen Dimensionen auch kein Alleinverkaufsrecht haben kann.

Heißt, Ihr geht ein bisschen weg von der Thematik „Konzepstore“ und mehr in die Breite?

Der Konzeptstore ist nach wie vor dabei und wir sind wahnsinnig stolz auf diese Kunden der ersten Stunde. Aber der Markt verändert sich. Viele Geschäfte gibt es heute gar nicht mehr. Da sind Ikonen der deutschen Mode: Unternehmerfamilien, die über Generationen Mode gemacht haben an den wichtigsten Modestandorten Deutschlands.

Welche Rolle spielt der Online-Handel für die Marke „Steffen Schraut“?

Eine sehr wichtige Rolle - Online ist für uns der Wachstumskanal Nummer Eins und hier haben wir von Anfang an ganz klar kommuniziert: Wir möchten unseren Kunden keine Konkurrenz machen und verzichten daher auf einen eigenen Online-Shop.

Eine konsequente Linie…

Absolut. Und jeder Online Store weiß, mit wem wir arbeiten. Das ist auf unserer Webseite ersichtlich. Das ist der klassische Online-Handel wie Stylebob, der international arbeitet, dann Jades24 oder Unger Fashion - und natürlich große Department Stores wie etwa Breuninger, die als globaler Store die Marke über ganz Deutschland transportieren. Das ist unser Gesamtkonzept - immer mit dem Auftritt Schuhe und Taschen.

Du hast vorher die Modezeitschriften erwähnt, heute haben wir mit der Blogger-Thematik ein ganz anderes Phänomen. Es gibt Bloggerinnen Anfang 20 mit Hunderttausenden von Followern. Welche Wichtigkeit haben sie mittlerweile im Verhältnis zu den klassischen Mode-Magazinen? Auch für eine Marke?

Ich bin generell ein sehr haptischer Mensch. Ich lese lieber ein Buch, statt es mir Online anzusehen. Ich habe lieber eine Zeitschrift in der Hand, anstatt zu scrollen. Und ich habe meinen Termin in einem Timer, statt im Telefon. Und habe deswegen die Liebe zu Print Medien. Print verliert, das ist ganz klar. Aber trotzdem hat Print immer noch eine wahnsinnige Anziehungskraft und Glaubwürdigkeit. Mit Social Media kam die Schnelligkeit: Sie können natürlich alles, was Sie in 14 Tagen in der Zeitschrift lesen, heute schon online sehen. Was heute war, ist morgen schon wieder vorbei. Natürlich arbeiten wir auch mit Bloggern zusammen. Die Marke muss aber zur DNA des Bloggers passen. Und das ist die Herausforderung: Man muss Personen zu finden, unabhängig von der Zahl der Follower, die unsere DNA wiederspiegeln. Image und Zielgruppe müssen übereinstimmen. Das Steffen Schraut-Girl sozusagen. Ich glaube, man wäre auch hier unglaubwürdig, wenn man Print verlässt und nur noch auf Online setzt. Am Ende ist es der Mix aus allen Kanälen, der den Erfolg bringt.

Gibt es ein persönliches Lieblingsstück aus Deiner aktuellen Kollektion?

Das persönliche Lieblingsstück ist natürlich immer das, was sich am besten verkauft (lacht). Da bin ich Geschäftsmann. Aber ich glaube es gibt immer eine Lieblingstendenz, was über die ganze Kollektion geht. So entwerfen wir auch die Kollektion. Auf der letzten Modemesse haben wir Herbst/Winter 2017 gezeigt und da war die Tendenz Wertigkeit. Es gibt wieder mehr Kaschmir mit Kuscheloptik und wird schöner und gepflegter.

Dann kannst Du uns jetzt eigentlich praktisch schon verraten, was das Sommerteil des Jahres 2017 werden wird, oder?

Jede Frau sollte sich diesen Sommer ein besonderes Kleid kaufen. Bei uns ist es das Kleid aus der Werbung, das wir bislang gut verkauft haben. Ein langes Boho-Kleid mit grafischem Print. Das Kleid ist fast überall ausverkauft.

Wie kann man sich ein Mode-Jahr von Steffen Schraut vorstellen?

Würden wir im Januar anfangen, wären wir schon mittendrin. Am Anfang einer Kollektion steht die Inspiration. Das erste Bild entsteht ja immer im Kopf. Und die Inspiration kommt auch vom vielen Reisen und aus dem täglichen Leben. Wir gucken natürlich auch, was in den vergangenen Saisons gut verkauft wurde und reagieren auf die Wünsche der Händler. Deswegen ist es mir auch so wichtig, dass ich auf der Messe jeden Tag selbst im Verkauf stehe. Es gibt eine Grundvorstellung, wie die Kollektion aussehen soll. Und dann geht es los mit den Inspirationsreisen in den USA. Die Amerikaner sind in Sachen Department Stores und Vintage-Märkten wirklich tonangebend. Drei Wochen planen wir meist in Miami, New York, Los Angeles - sehr unterschiedliche Städte. So entsteht die Kollektion im Kopf.

Und dann geht es an die Produktion…

Wir kommen zurück und die Kollektion wird gezeichnet. Wir suchen Stoffe aus und geben Vorlagen für die Drucke zum Stoff-Lieferanten. Und dann werden die ersten Protosamples aufgemacht, die wir sechs Wochen später erhalten. Dann werden diese Musterteile angepasst. Es verändern sich Kragenlängen, die Teile werden kürzer oder länger oder Farb-Nuancen wechseln. Und nach diesem Fitting hier in Düsseldorf, „verabschieden“ wir die Muster und es geht in die Verdopplung und kommt als Verkaufsmuster nach Düsseldorf. Dieser Prozess dauert nochmal zwischen sechs und acht Wochen. Dann sind alle Verkaufsmuster hier im Show-Room. Wir zeichnen Preise und Materialien aus und bereiten die einzelnen Kollektionen für die verschiedenen Länder vor. Der Show-Room wird neu aufgebaut, die Deko frisch installiert. Auf die kreative Arbeit folgt dann das Unternehmerische: Kalkulieren, Liefertermine  festlegen - also Gerüst der späteren Lieferung. Und dann steht irgendwann der große Tag an, wo wir die Tür aufmachen. Im Gegensatz zu anderen Kollektionen verkaufen wir auf der Messe nur in einem kleinen, effektiven Zeitfenster mit plus-minus zehn Tagen hier in Düsseldorf. An dem Tag, an dem wir den Show-Room für die zehn Tage öffnen, können wir nichts mehr machen. Hier entscheidet sich, ob die Saison erfolgreich ist. Aber das ist Mode. Entweder sie kommt an, oder sie floppt. Viele andere Firmen haben die Möglichkeit, zu korrigieren. Sie verkaufen vier Wochen später noch einmal woanders und verändern ihre Kollektion nach den Wünschen der Händler. Wir müssen uns einmal stellen und werden danach dann auch bewertet. Nach dem Verkauf wird die Kollektion disponiert, das heißt wir geben die Aufträge an unsere Lieferanten weiter. Da entwickeln sich teilweise schon die Lieblingsteile. In unseren Unterlagen sieht man, was die Highlights waren. Danach fangen wir von neuem an.

Das ist quasi wie eine Blackbox und dann dieses Warten darauf. Was kommt dann? Ist es nicht unheimlich kräftezerrend? Braucht man danach nicht mental einen Cut?

Ich glaube mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Aber es ist wahnsinnig kräftezerrend. Man entwickelt ein eigenes System. Und ich glaube, wenn man eine gewisse DNA hat, oder eine gewisse Strategie, dann weiß man auch, was erwartet wird. Man kennt seine Kunden, kennt seine Kollektion, seine Stärken und Schwächen. Wir sind eine sehr verkäufliche Kollektion. Unser Kundenkreis besteht aus Mutter und Tochter. Manchmal scheitert das bei der Tochter, am Finanziellen. Wir passen die Kollektion immer an. Wenn wir einen Kleidertrend sehen, verstärken wir Kleider. Wenn wir Leder nicht sehen, wie jetzt zum Beispiel, verzichten wir in der gesamten Kollektion darauf.

Du erwähntest eben: Man entwickelt seine Mechanismen. Wie hältst Du Dich fit?

Also ein Mechanismus sind meine festen Termine mit dem Personal Trainer. Hätte ich die nicht, hätte ich täglich eine neue Ausrede, warum ich heute nicht gehe. Oder warum ich später gehe, oder warum ich müde bin. Dreimal die Woche trainiere ich mit Personal Trainer und mache nach Möglichkeit noch zweimal die Woche Pilates.

Also auch als kleiner Wink für jeden aktiven Unternehmer: Versuchen Sie, sich immer Zeit zu blocken und konsequent nachzuhalten…

Und ich glaube, es ist auch die Lebensqualität für mich persönlich. Ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich nehme keine Drogen. Ich lebe sehr gesund. Und das hilft, um diese Vitalität zu halten. Ich erwarte unglaublich viel von meinem Team, von meinen Mitarbeitern - übrigens das Team der ersten Stunde. Wir sind wie eine kleine Family. Der Bürobereich ist sehr offen. Ich habe kein eigenes Büro und sitze mittendrin. Das ist positiv für die Mitarbeiter, kann aber auch manchmal negativ sein. Ich möchte eigentlich schon alles hören, ich möchte alles wissen. Wenn ich überzeugt bin, dass jemand gut arbeiten kann, dann lasse ich ihn auch alleine. Das ist wichtig. Außerhalb einer Messe achte ich darauf, dass meine Mitarbeiter um 17 Uhr nach Hause gehen. Ich möchte, dass sie ein Privatleben haben, dass sie Sport machen und vereinbarte Termine auch wahrnehmen. Alle sollen happy sein, denn ich bin nur so gut, wie mein Team.

Diese Offenheit ist ein gutes Stück Deiner Unternehmenskultur - aber auch von Dir selbst. Du bist immer nahe am Mitarbeiter und nahe am Kunden?

Sicher. Manchmal gibt es schon das eine oder andere Telefonat, welches das Team nicht mitbekommen soll. Dann suche ich mir eine Ecke, wo man diskret telefonieren kann.

Gibt es für Dich jemanden, von dem Du lernen konntest? Wo Du Dir etwas abschauen konntest?

Ja, bei meinem Geschäfts- und Lebenspartner. Das ist der ausgeglichenste und positivste Mensch der Welt. Es gibt immer denjenigen, der auf der Bühne steht und den, der einen nach vorne schiebt und die Plattform hält. Und der muss manchmal viel stärker und besser sein.

Thema kreative Reisen: Gerade wenn man diesen kreativen Prozess durchgeht, kann man da überhaupt abschalten? Gibt es da für Dich irgendwie einen Ausweg? Oder geht es Dir wie vielen anderen Unternehmern, die einfach rund um die Uhr damit verhaftet sind?

Wir haben natürlich eine sehr große Verantwortung, nicht nur für unser internes Team, sondern auch für verschiedene externe Teams. Würden wir uns in Zeiten wie Weihnachten komplett zurückziehen, wäre das gar nicht machbar. Wir haben ein Logistikzentrum, ein Kreativzentrum, ein Kundencenter. Würden wir auf Fragen nicht antworten, würden wir Prozesse aufhalten. Deswegen ist der Laptop im Urlaub mindestens einmal morgens und einmal abends mit dabei. Das zweite Problem ist natürlich, dass wir etwas sehr Kreatives machen und das Visuelle ständig parat ist. Egal ob auf Reisen, im Kino, Supermarkt oder Restaurant – man sieht sich um. Und wenn man das auch noch als Paar macht, ist das schon verteufelt. Man nennt uns schon „Seven Eleven“ - wie die amerikanische Supermarkt-Kette, der 24 Stunden offen hat. Das ist auch das Problem in so einer Partnerschaft zu sagen „Hier ist der Cut.“ Wenn man nach einem anstrengenden Tag nach Hause kommt, kann man nicht einfach den Ausschaltknopf drücken. Die Firma ist immer präsent.

Gibt es einen Rückzugsort außerhalb von Düsseldorf?

Das Ferienhaus meiner Eltern in Spanien - da kann ich richtig abschalten Da muss ich nicht präsent sein. Es ist alles organisiert. Ich bin einfach nur da. Ich kann ich selbst sein - und manchmal sogar wieder Kind. So komisch sich das anhört. Man kann sich verwöhnen lassen und die Zeit ein bisschen zurückdrehen. Auf Reisen mag ich es einerseits, Neues zu entdecken, aber auch Beständigkeit. Das beruhigt mich. Und deswegen gehe ich auch immer in die gleichen Hotels, am liebsten ins gleiche Zimmer.

Du buchst immer das gleiche Zimmer?

Ja, in New York im gleichen Hotel. In LA im gleichen Hotel...

Kannst Du uns verraten, welche Hotels das sind?

In New York bin ich immer im The Mercer. In LA ist es das Chateau Marmont. Und im August reisen wir meist eine Woche nach Capri ins JK Place. Ich komme an und ich fühle mich Zuhause. Man ist da, stellt alles ab, weiß wie alles funktioniert.

Machst Du das im Restaurant genauso?

Da bin ich ein bisschen kreativer. Wobei ich am liebsten in Restaurants esse, wo sonst niemand hingeht. In Düsseldorf sieht man mich selten in den angesagten Lokalen - höchstens, wenn ich mit Kunden unterwegs bin. Ich brauche diesen Show Effekt nicht und fahre privat lieber raus aus Düsseldorf.

Gab es in der Modewelt Jemanden, der Dich inspiriert hat?

Ganz klar Jil Sander. Die hatte einen unverkennbaren Stil und verkörperte coole Modernität. Das war auch der Zeitgeist und für mich als Marlene-Liebhaber ganz natürlich: Als Hamburgerin war sie die absolute Verfechterin des Hanseatischen, des Marine-Looks. Und dann Stil mit weißer Bluse drunter - auch ein bisschen Look mit Understatement. Das liebe ich nach wie vor. Ich habe einen Kaschmirpullover von ihr und Anzüge, die ich auch nach zehn Jahren noch liebe.

Thema „Herren-Kollektion“. Kannst Du Dir vorstellen, dass Steffen Schraut irgendwann eine Herren-Kollektion rausbringt?

Never say never. Momentan müsste der Tag mehr als 24 Stunden haben, damit ich eine Herren-Kollektion herausbringen kann. Das Wichtigste ist auch, jeden Tag mit Spaß zu arbeiten. Natürlich kann man sagen, Mode ist die schönste Nebensache der Welt. Wir retten keine Leben, aber wir machen viele Frauen glücklich. Und vielleicht auch einige  Männer - oder unglücklich, wenn sie die Rechnung sehen (lacht). Den Spaß darf man nicht verlieren. Neben der Mode machen wir Taschen und Schuhe, die gut funktionieren. Da könnte man sicher sagen, jetzt machen wir auch noch Herren. Möglich ist alles. Aber ich finde es auch ganz gut zu sagen, wir verzichten darauf.

Das kann ich mir gut vorstellen. Viele prominente und attraktive Frauen tragen Deine Kleider. Gibt es eine  Persönlichkeit, die Du in all den Jahren kennen gelernt hast, die Dich richtig fasziniert?

Es gab zwei tolle, ganz unterschiedliche Begegnungen. Das eine war damals bei einem Foto-Shooting. Wir hatten damals einen Gold-Trench gemacht und es gab ein Shooting mit Liz Hurley, wo ich zufällig dabei war. Der Fotograf ging immer weiter und schaffte es, dass sie unter dem Trench fast nichts mehr anhatte. Liz Hurley war super offen und am Ende ist ein Wahnsinns-Foto entstanden. Und dann gab es noch eine Begegnung mit Beyoncé. Sie stand im Backstage-Bereich und trug ein Shirt von uns, was wir ihr geschenkt haben. Sie, der Megastar, den man sonst auf der Bühne sieht, wo alles perfekt gestylt ist. Und dann steht sie so ganz normal vor dir. In Jeans und  mit einem weißen Top. Ungeschminkt und die Haare nicht so lang und voluminös, wie auf der Bühne. Ein sehr cooler Moment. Sie war eine pure Beauty - im Gegensatz zu diesem Mega-Showstar.

Toll! Aus solchen Erlebnissen zieht man sicher einige Energie für sich selbst?

Auch bei unseren deutschen Frauen. Frauen, wie Frauke Ludowig oder Birgit Schrowange, die tagtäglich präsent sind, als Mutter, als Familienfrau. Die stehen dazu, dass sie älter werden und sind tolle Frauen. Frauke Ludowig liebt zum Beispiel unsere weißen Blusen. Sie sagt: „Immer wenn ich eine weiße Bluse von euch anhabe, bin ich super angezogen. Auch an einem schlechten Tag, wenn ich nicht weiß was ich anziehen soll, nehme ich die weiße Bluse.“

Wäre das für Dich auch so ein Credo, zu sagen: „Liebe Frauen, steht doch dazu, wie Ihr seid?“ Und wie Ihr Euch vielleicht auch im Alter weiterentwickelt.

Das entwickelt sich schon in die Richtung. Das extrem Perfekte bei Frauen wird weniger. Frauen stehen immer mehr dazu, wer sie sind. Wir verändern uns alle – egal ob Mann oder Frau. Ich persönlich bin ein riesen Fan, wenn man Leben erkennt in einem Gesicht. Deswegen habe ich auch einen riesen Respekt vor meiner eigenen Mutter, die kosmetisch nie irgendetwas machen ließ. Wir haben heute alle Möglichkeiten uns zu verändern, zu retuschieren. Facetune Apps und ich weiß nicht, was es alles gibt. Ich finde es toll, wenn das „älter werden“ sieht. Ich glaube das ist für mich auch eine Charaktersache.

Sprechen wir auch mal über Männer. Ist es wichtig als Mann qualitativ gute Pflegeprodukte zu benutzen. Oder sagst Du einfach: „Ich bin so wie ich bin. Ich lasse das so wie ich bin.“

Da bin ich der Falsche. Ich brauche morgens 15 Minuten im Bad - inklusive Duschen, maximal! Und ich bin kein Verfechter irgendwelcher Cremes. Das ist für mich nicht so sehr wichtig. Für mich ist es so: Egal, ob Mann oder Frau, ich finde einfach, wenn jemand den Raum betritt und eine gewisse Aura hat, dann hat das nichts mit dem Alter zu tun. Dann ist einfach die Ausstrahlung, die Gesamterscheinung.

Kompliment! Das Thema Nachhaltigkeit und Werte zieht sich durch das ganze Interview wie ein roter Faden:  Von Dir als Person bis hin zu Deinem Label, zu dem was Du verkörperst als Unternehmer. Vielen Dank für dieses interessante Gespräch.

 

Hat dir dieses Interview gefallen? Dann klicke gefällt mir