Bobby Dekeyser - Lifestyle-Insider.com

Bobby Dekeyser

INTERVIEW

Fußball-Profi, Unternehmer und Dedon-Gründer Bobby Dekeyser spricht im persönlichen Interview über sein bewegtes Leben und erzählt uns von Erfolgen, Schicksalsschlägen, sozialen Projekten und seinem Paradies: dem Dedon Island Resort.

22. Dezember 2017

Anm. d. Red.: Das Interview mit Bobby Dekeyser wurde im November 2016 geführt.

Lieber Bobby, steigen wir zu Beginn gleich in deine Laufbahn ein: Viele schicksalhafte Begegnungen kreuzen deine Wegstrecke. Den Start deiner Fußballerkarriere hat ein Treffen mit Pelé ausgelöst?

Ich spielte damals in keiner Mannschaft, war auf dem Sportplatz eher der Rüpel, statt ein Fußballer. Pepsi Cola hatte damals einen Wettbewerb ausgeschrieben: Gesucht waren die elf besten Fußballer Deutschlands unter 16 Jahren. Sie durften zu Cosmos New York, wo Pelé und Beckenbauer spielten. Ohne mein Wissen hat mich meine Schwester angemeldet. Es gab gut 7.000 bis 8.000 Bewerbungen und mehrere Ausscheidungen. Ich meisterte die erste, zweite, dritte und letztlich vierte Endausscheidung unter 100 Fußballern in Frankfurt. Und so war ich als Torhüter dabei – mit Bruno Labbadia übrigens…

Und in New York fand dann dieses Treffen statt…

Ich wusste damals gar nicht, wer, wer war im Sport. Mit 13 habe ich schließlich erst angefangen, mit 14 Jahren war ich bei Pelé und erst danach habe ich im Verein gespielt. Damals war das ein Riesenpresserummel, ich durfte nach New York und sogar für Cosmos spielen – also direkt von Null auf die große Fußballbühne. Das hat mich so indiziert, dass ich dachte, das könnte mein Beruf werden. Pelé spielte für uns Gewinner damals abends Gitarre und es wurde gesungen. In dieser Atmosphäre, fragte ich ihn dann, wie man der Beste der Welt wird. Seine Antwort: „Just do it – follow your dream!“ Tu das, was du gerne machst und das habe ich mir zu Herzen genommen.

Das war am Anfang sicher nicht immer leicht?

Es kommen so viele Themen in dem Alter – Schulabschluss, Ausbildung. Aber Fußball war mein Mantra und sehr passend. Man muss sich treu bleiben und keine Angst haben, so zu sein. Schließlich wird dir ständig gesagt, Du musst dies und das machen. Ich habe es durchgezogen und mich immer auch von außen gesehen: Passt das noch? Bin das noch ich oder habe ich etwas angenommen, was ich gar nicht sein möchte? Es gehört wahnsinnig viel Mut dazu, aus einer Situation rauszugehen, die nach außen hin fantastisch aussieht.

Du sprichst deine Zeit beim FC Bayern an?

Ja, ein Beispiel, wo ich mich selbst verloren habe. Es war zu früh in meiner Karriere und zu viel. Das war nicht mehr ich! Ich stand ständig unter Druck, etwas leisten zu müssen. Wo war das Spielerische geblieben? Eine Zeit lang ging das gut, aber ich wusste, ich muss da raus. Und das ist eine Erkenntnis, die sehr weh tut. Von außen sieht es so aus, als hättest du alles erreicht, aber innerlich fühlst du dich im falschen Film.

Man muss dann einen Schritt zurück gehen, um wieder zwei Schritte nach vorne machen zu können. Gehen wir zurück zu Pelé: War dieses Treffen also ausschlaggebend, die Schule zu schmeißen und deinen Traum zu verfolgen?

(lacht) Absolut. So eine Ikone zu treffen, die darüber hinaus auch noch so locker, entspannt und freundlich war, trug dazu bei. Ich kannte ja keinen Fußballer zu dem Zeitpunkt. Aber ich wusste, es gibt nur diesen einen Weg! Mangels Talent war ich im Tor. Mit Willensstärke und Einsatz kann man da viel kompensieren.

Jean-Marie Pfaff zählt auch zu deinen Wegbegleitern?

Ich habe ihn beim Frühstück in einem Frankfurter Hotel abgepasst. Im Aufzug lud ich ihn zu einem Training in der Garage ein. Ich hatte einen Ball im Kofferraum und so kam es, dass wir gemeinsam Bälle schlugen. Ich wusste, es bewirkt etwas. Jetzt sieht mich der beste Torhüter der Welt. Und so war es dann auch. Raimund Aumann, der erste Torhüter der Bayern, hatte sich zu dem Zeitpunkt das Kreuzband gerissen und das bedeutete damals mindestens ein Jahr Ausfall. Mein Schicksal, denn zwei Wochen nach dem Garagentraining war ich bei Bayern. Uli Hoeness habe ich später einmal gefragt, ob er eigentlich wisse, wie ich zum Verein kam. Na klar, er habe mich zum Probetraining eingeladen, der Pfaff hätte mich schließlich empfohlen. Und da habe ich ihm die Geschichte vom Training in der Garage erzählt. Er schmunzelte und antwortete: „Hätte ich das gewusst, hätte ich dich nicht eingeladen.“

Klasse! Und das zeigt auch einmal wieder, dass man sein Glück auch ein stückweit beeinflussen kann …

Man darf sich nicht verkrampfen. Wenn es heute nicht klappt, dann ein anderes Mal. Aber es gibt Momente, wo man weiß, jetzt kann man das Glück in die eigene Hand nehmen.

Nach zwei Jahren beim FC Bayern als Ersatztorwart,  bist Du in Nürnberg unter Andi Köpke der zweite Torhüter gewesen. Das war sicher auch ein Brett?

Andi Köpke war damals als Torwart umstritten und so hat der Verein mich als ersten Torhüter geholt. Doch dann hat er sich so unglaublich gesteigert, dass ich wusste, der ist Klassen besser, wie ich. Wir sind heute noch Freunde. Anschließend bin ich nach Belgien gezogen, wollte aber gemeinsam mit meiner Frau nach München zurück. Und so habe ich bei 1860 München angeheuert und bis zu meiner Verletzung die letzten Jahre dort gespielt.

Stichwort Verletzung: Noch während du im Krankenhaus lagst, hat der Verein einen Ersatztorhüter engagiert, der dann selbst verletzt war. Als Du wieder auf dem Platz standst, hast du die Spiele deines Lebens gemacht. Ist in der Zeit schon der Entschluss gereift, ich höre jetzt auf?

Ja! Im Nachhinein hätte ich direkt nach den Bayern aufhören sollen (lacht). Danach ging es nur noch bergab. Der FC Bayern kam für mich etwa 5 Jahre zu früh. Man muss reifer sein. Aber es war schon eine Wahnsinnserfahrung. Auch mit Geld machst du viel Blödsinn. Ich habe früh gesehen: Geld macht mich weder glücklich noch besser!

Als Du später Dedon gegründet hast, konntest Du etwas aus deiner Fußballerkarriere mitnehmen?

Nicht aufgeben! Das ist auch die Grundidee im Fußball. Ich habe mit 13 Jahren sehr spät angefangen, mit 16 Jahren war ich Profispieler. Als Unternehmer hast du immer auch den Panic-Button im Kopf: Wie kannst du etwas verknüpfen? Wie geht das Puzzle auf?  Das ist im Fußball genauso.

Finanziell wäre es damals wohl sinnvoller gewesen, die Fußballkarriere weiter zu verfolgen?

(lacht erneut) Rückblickend gesehen, war das natürlich Schwachsinn! Ich hatte eine Frau und zwei Kinder damals und verzichtete auf die lukrativen Angebote der ersten Liga, um in einem Kuhstall Möbel zu verkaufen, die keiner braucht. Zunächst war es schon eine Art Befreiung – aber das verraucht sehr schnell. Da war ich noch Fußballer des Monats und sechs Wochen später ruft keiner mehr an. Das Ding war vorbei und mit 26 Jahren gibt es auch keinen Weg mehr zurück.

Am Anfang war auch Dedon kein Selbstläufer?

Im Gegenteil! Die ersten zehn Jahre war ich hochverschuldet.  Aber ich wusste, am Ende wird es gut! Meine ganze Familie und viele Freunde waren schließlich dabei.

Du hast viel Vertrauen in Menschen gesetzt, welches nicht immer zurückgezahlt wurde. Darauf reagieren Unternehmer sehr unterschiedlich. Doch dein Beispiel zeigt, die Rechnung ist am Ende aufgegangen…

Ja, insgesamt und mit großem Abstand! Bei Fehlentscheidungen, wo du jemanden zu viel vertraust, weißt du oft schon vorher, dass es nicht klappt. Schon beim ersten Kundenkontakt kannst du sehen, ob das was wird, oder nicht. Ich habe Fehler gemacht, als ich in der Not war, dringend jemanden für eine Position zu brauchen. Wir sind zu dem Zeitpunkt irrsinnig gewachsen: von fünf auf 3.000 Mitarbeiter und ich hatte keine Zeit, Leute richtig auszusuchen.

2000 kam dann der Wendepunkt mit der Errichtung Eurer eigenen Produktionsstätte in Cebu.

Wir hatten endlich die Kontrolle über alle Bereiche: Von der Faserproduktion bis zum Design, Vertrieb und Marketing – alles aus einer Hand. Wir wussten, wovon wir reden. Ich habe so viel Leidenschaft und mein ganzes know-how eingebracht: Cebu wurde in meinen Augen zur besten Produktionsstätte die man sich vorstellen konnte, weil wir die Leute ernst genommen haben. Wir kreieren bis heute gemeinsam mit den Mitarbeitern vor Ort unsere Produkte. Wir brauchen keine Gewerkschaft, denn wir haben gute Arbeitsbedingungen. Jeder muss profitieren und so haben wir nie an den Leuten gespart. Als Unternehmer bist Du manchmal ganz schön einsam, weil alle etwas Anderes raten und Du starr bleiben musst. Wir gehen keine Kompromisse zugunsten größerer Margen oder falscher Beratung ein.  Und das macht Dedon aus.

Waren auch die Philippinen Liebe auf den ersten Blick?

Ja, absolut! Und das hat sich auch bis heute nicht geändert. Auf den Philippinen hat das Flechthandwerk eine lange Tradition und die Menschen sind sehr warmherzig. Du hast dort ein stetes Geben und Nehmen. Anders als in China gibt es auch kein Problem mit der Sprache, denn fast alle sprechen Englisch. Vor Ort haben wir ein Miteinander, das seinesgleichen sucht. Für uns ist das immer, wie nach Hause kommen. Die Philippinos freuen sich, etwas Neues zu entwickeln. So sind wirklich verrückte Möbel entstanden. Und gerade die Sachen, die am Anfang mit Skepsis beäugt wurden, waren unsere meistverkauften Bestseller.

Dedon steht für elegante Outdoor-Möbel. Stimmt es, dass die Idee dazu aus Henkeln von Waschmittelverpackungen entstanden ist?

Ich wollte ein Wohnzimmer für draußen entwickeln. Wir hatten zuhause viele Rattan-Möbel, doch die waren nicht Outdoortauglich. Im Winter fiel Schnee drauf, dann scheint die Sonne und schließlich bricht das Holz. Und so kamen mir Kunststofffasern in den Sinn:  Mein Opa hatte damals eine Firma, die Tragegriffe für Waschmittelverpackungen herstellte. Die könne man ja auch flechten, dachte ich. Anfangs waren die Muster richtig gruselig – es gab sie auch nur in schwarz und weiß. Dedon produzierte damals schon auf den Philippinen und es funktionierte überhaupt nicht. Wir sind dann ein halbes Jahr hingezogen und haben die erste Kollektion auf den Markt gebracht mit vielen Anfangsschwierigkeiten. Wir leben dieses Konzept und so sind auch immer die Ideen entstanden. Doch mit wachsender Unternehmensgröße wird es zunehmend schwieriger. Ich bin gerade dabei, abzugeben…

Das heißt?

Schon vor zehn Jahren habe ich gemerkt, dass Dedon zwar ein Teil meines Lebens ist, aber eben nicht mein Leben. Die Firma nimmt so viel Raum ein, dass Dinge, die mir wichtig sind, wie etwa die Familie oder die Stiftung, ins Hintertreffen geraten sind. Ich habe schon damals Partner gesucht und Anteile an eine amerikanische Firma verkauft. Während der Wirtschaftskrise hatten wir jedoch andere Ansichten: Die Amerikaner wollten einsparen und ich antizyklisch investieren. Das haben sie nicht verstanden und so habe ich die Beteiligung zurückgekauft. Der entscheidende Punkt war, dass ich zu diesem Zeitpunkt, wo wir ganz oben waren, schon spürte, dass ich nicht mehr 100 Prozent geben kann.

Wie hat sich das geäußert?

Ich war sehr müde und bin viel gereist: Drei Kontinente in einem Monat – ich war nur noch im Flugzeug. Zuvor hatte ich mitentwickelt oder im Lager geholfen. Das hat mir gefehlt und raubte mir die Lebenskraft. Es war wieder wie im Fußball: Der Erfolg überschwemmt dich erst einmal und Du fragst, was es dir wirklich bringt. Ich schwor mir, wenn es kritisch wird, gehst du neue Wege und nimmst dich da raus. Es war auch wirklich perfekt: Ich hatte Cash durch die Anteile der Amerikaner und weniger Verantwortung. In der Finanzkrise setzte ich wieder alles auf eine Karte und ging in die Vollen, um die Firma wieder dorthin zu bringen, wo ich sie sah.

Pure Emotion …

Ja, und eine Mischung aus Verantwortung, Willenskraft und tiefer Ungeduld, es anders zu machen. Um die Beteiligung zurückzukaufen, habe ich mir Schulden aufgehalst, die vorher nicht da waren. Eigentlich verrückt! Aber ich bin mit großer Freude voraus gestartet. Tour de Monde hieß mein neues Projekt: Wir reisten um die Welt und nahmen Menschen und Möbel mit - wie eine Rockgruppe auf Tour. Alle wollten dabei sein und es hat wahnsinnig Spaß gemacht! Ich selbst war auch etwas überdreht. Du bist da in einer Energie drin, die nicht aufzuhalten ist. Ein halbes Jahr später ist meine Frau gestorben. Das war so abrupt und massiv, dass ich mich mit den Kindern erst einmal zurückgezogen habe. Fast acht Monate bin ich mit ihnen gereist und nach New York gezogen – der komplette Rückzug, aber auch eine Flucht ins Verdrängen. Die Firma konnte ich später in der Form nicht mehr führen.

Du bist wieder auf Partnersuche gegangen?

…und mit einer Schweizer Firma fündig geworden, die eben nicht nur kauft und verkauft, sondern Unternehmen behält, investiert und ausbaut. Es läuft gut, aber anders. Man muss auch loslassen können und akzeptieren, dass egal wer dein „Baby“ betreut – es wird nie so 100-prozentig sein, wie wenn du es alleine getan hättest!

Wie involviert bist du noch?

Ich habe mich peu à peu aus dem aktiven Geschäft herausgezogen. Weiterhin bin ich Gesellschafter, aber es fällt auch schwer. Ich würde viele Dinge irrational machen, die Schweizer rational. Nach wie vor denke ich, dass Dedon keine „normale“ Firma ist, sondern eher eine Traumfabrik. Es steckt Mystik dahinter. Ich hatte Projekte mit dem Cirque du Soleil geplant, die Menschen verzaubern. Das ist jetzt anders, aber gut! Das Unternehmen ist heute zahlenorientierter. Die Schweizer müssen natürlich schauen, dass es funktioniert. Ich versuche, zu inspirieren. Das ist die andere Seite.

Das kann ich mir vorstellen, wenn man dein Feuer sieht! Man spürt aber auch die innere Zerrissenheit und Emotion bei diesem Thema…

Es fällt schwer zu akzeptieren, aber ich habe diesen Prozess ja bewusst gestartet. Den Leuten geht’s gut, es ist alles bezahlt. Und trotzdem steht Dedon noch ganz am Anfang. Dies könnte man noch machen und das – aber zu welchen Kosten? Was ist die Freiheit wert? Ich lebe heute sehr zurückgezogen in den Bergen von Ibiza mit meiner Freundin. Wir bauen einen Bauernhof um und ich habe eine paar Stiftungs- und Kooperationsprojekte geplant. Alles sehr überschaubar. Es ist für mich eine Phase, wo ich mir bewusst Zeit nehme, um zu Lernen. Ich treffe viele interessante Menschen aus unterschiedlichen Bereichen und lerne. Gerade eben war Scilla Elworthy bei mir, die 3 mal für den Friedensnobelpreis nominiert war. Wir treffen uns zum spazieren und reden politisch, gesellschaftlich und philosophisch. Die Frau ist Mitte siebzig und hat eine unglaubliche Weisheit und Ruhe. Die Menschen, mit denen ich zu tun habe, sind alles Leute mit Zeit. Wir wollen nichts voneinander, nur den Austausch.

Es hat für Dich sicher eine komplett neue Lebensqualität, nicht mehr „getrieben“ zu sein. Kannst Du genießen?

Ja! Das funktioniert aber nur, wenn du neue Erfahrungen machst. Klar kannst du im Kopf sagen, ich habe jetzt mehr Zeit und trotzdem läufst Du auf gleicher Drehzahl. Es ist alles ein Prozess – und ich bin hier gerade auf Entzug: Das geht nur mit neuen Bildern im Kopf und wenn man die Ruhe mit sich selbst aushält. Ich kann das gut, muss nicht ständig etwas tun. Ruhe gibt Tiefe. Du weißt, was du willst und lebst das deinen Kindern vor. Ich sehe Unternehmer, die mit Ende 70 vor der Betriebsübergabe stehen und sich damit schwertun, weil die Verbindung zu eng ist. Sie haben so viel geleistet, aber sich selbst versagt, zu sein, wer sie sind. Am Schluss wachen sie auf und denken, alle müssen dankbar sein. Ich wusste immer, das wird nicht mein Weg sein.

Interessant…

Das ist wie mit einer verflossenen Liebe. Man schaut zurück und sieht nur die guten Seiten. Jetzt habe ich eine Phase, die ganz anders ist: Gestern bin ich einfach eine Stunde länger geschwommen, ich mache ewige Wandertouren und treffe Menschen, die als Künstler in Höhlen leben. Die Zeit zu haben, sich einlassen zu können und zu merken, es gibt noch eine andere Ebene – wenn du an dem Punkt bist, kannst du nicht mehr so leben wie früher. Deswegen bin ich auf Entzug. Es gibt immer noch verlockende Angebote. Das hätte ich früher nebenbei gemacht, heute sage ich: Nein, Danke!


Lass uns auf deine Stiftung eingehen: Vor Ort auf den Philippinen hast Du gesehen, was passiert und die innere Verantwortung gespürt?

Die Stiftung konnte ich durch den Verkauf der Anteile von DEDON an die Amerikaner finanzieren und habe viel Kapital reingesteckt. Ich habe groß anfangen mit 15 Projekten weltweit und hatte irgendwann 30 Leute am Start. Menschen, die ich in Kunst und Sport kennen gelernt habe, wollte ich mit jungen Leuten zum Austausch und für inspirierende Praktikas zusammenbringen. Diese Kollegen zu motivieren, ging wirklich sehr leicht. Jede Gruppe hatte etwa zehn bis fünfzehn Jugendliche und es kamen mehr als 1200 Bewerbungen. Da brauchten wir allein zehn Leute, um diese Bewerbungen auszusortieren. Im Nachhinein war der Aufwand schon gigantisch für so wenige Teilnehmer, aber eine Wahnsinnserfahrung! Doch mit der Stiftung wollte ich weitergehen…

… und bist auf den Philippinen aktiv geworden?

Das war vor etwa fünf Jahren. Ein deutscher Pfarrer, der auf Cebu lebte, hat uns die Slums gezeigt und wie Menschen in den untersten Schichten und z.T. seit Generationen auf der Müllhalde leben. Da haben wir nur gedacht: Wie können wir vor Ort helfen und Strukturen schaffen? Also haben wir ein Stück Land im Regenwald von Cebu gekauft und dort ein Dorf gebaut: „Compostela“. Etwa 500 Menschen haben wir dorthin umgezogen. Teilweise mussten wir die Leute über ein Jahr darauf vorbereiten, denn viele wollten gar nicht weg vom Müll. Die Menschen sind oft festgefahren in ihren Wegen und haben schlichtweg Angst vor Veränderung. Wir haben teilweise Familien mit zehn Kindern vor Ort, die es nicht aushalten und zurück auf die Müllhalde wollen – obwohl wir in unserem Dorf neben einer medizinischen Grundversorgung auch Beschäftigungsmöglichkeiten z.B. in der Landwirtschaft anbieten. Das wollen manche Väter nicht. Die haben im Kopf, dass sie tagsüber im Müll suchen müssen und abends Reis und Wasser bekommen.

Und was habt Ihr aktuell in der Stiftung geplant?

Wir haben ein neues Projekt in Kenia. Wir bauen ein Camp für etwa 4.000 Jugendliche. Jochen Zeitz, der ehemalige CEO von Puma, ist auch mit an Bord und unterstützt uns mit seiner Ranch. Da geht es um Lifelihood von Eingeborenen und Tierschutz. Wir lernen viel dabei. 

Deine Tochter Carolin ist auch in der Stiftung engagiert, lebte zweitweise auf den Philippinen und betreibt hier ihr eigenes Accessoire- und Modelabel?

Ein Großteil der Einnahmen von Carolins Accessoire-Label NAY PALAD wird seit seiner Gründung direkt in „Compostela“ investiert. Davon sollen vor allem die Frauen und Mütter profitieren. NAY PALAD bietet ihnen die Möglichkeit sich neben der Kinderbetreuung direkt vor Ort im Dorf weiter zu bilden und Arbeit zu finden, die sie nachhaltig beschäftigt. Hierzu gehören u.a. das erlernen der Schmuckherstelltung oder die Arbeit an der Nähmaschine. Carolin ist regelmäßig vor Ort, um feste Strukturen zu gewährleisten. Das aufrecht zu erhalten ist ein langer Prozess.

Man muss vor Ort sein, um die Leute zu verstehen. Eure Produktion hätte sicher nicht so gut funktioniert, wenn ihr nicht auf den Philippinen geblieben wärt. Man muss wissen, wie die Leute ticken…

Du lernst viel mehr, als du geben kannst. Das bringt uns auch zurück zu uns selbst und der Frage, wie wir eigentlich leben. Was leben wir unseren Kindern vor? Umso mehr man reist, umso mehr assimiliert man. Viele leben wie Roboter im Hamsterrad und warten einfach was kommt. Und irgendwann steht dann die Revolution vor der Tür, wie etwa mit Trump. Das ist dann aber keine Revolution für etwas, sondern dagegen.

Du hast eine Zeit in New York gelebt. Wie erklärst du dir das Phänomen Trump?

New York ist nicht Amerika. Die alte Politik glich einem Klüngel, der sich selbst aufrechterhalten hat und das Verrückte daran ist, dass Trump ein Teil dessen war. Trotzdem hat er es geschafft, die Sprache der Leute zu erwischen, die in seinen Augen auf der Strecke geblieben sind: Die weißen Ungebildeten. Wenn du dir Zeit nimmst und die Probleme der Menschen vor Ort anschaust, dann verstehst Du, wie die Leute nach jahrzehntelangen Versprechungen auf dem Boden geblieben sind. Es war eine Revolution der Stille – „keiner“ hat ihn gewählt. Vielleicht braucht es gerade so jemanden wie Trump, der eben nicht die softe Revolution propagiert.

Also eine Chance?

Vielleicht, aber auf Kosten vieler: Moslems, Schwarze – das ist Rassismus hoch drei. Meine Reaktion: Zurück zur Verantwortung. Wie denkt man selbst, wie reagiert man selbst und wo befindet man sich in einer Symbiose, die sich echt anfühlt.

Das ist ja auch etwas, was du gelernt hast: Besitz kann belasten und so hast du Tabularasa gemacht und nur an einem Punkt festgehalten: Deinem Haus auf Ibiza…

Ich glaube, wir Männer müssen erst einmal diesen Berg des Konsums gehen, um zu merken, wir brauchen ihn gar nicht. Ich habe gemerkt, ich verliere die Relation und der Besitz nimmt von mir Besitz. An meinem 50 Geburtstag vor zwei Jahren habe ich beschlossen, so machst du nicht weiter! Ich setze Geld jetzt anders ein: Für die Stiftung etwa und eine gute Basis für die Kinder. Uns geht’s gut, aber wir bleiben auf dem Boden – das lebe ich ihnen vor und das Leben wird einfacher. Natürlich kann ich mir das gute Hotel leisten, trotzdem gehe ich viel lieber zelten. Diese Naturerfahrung ist viel mehr wert! Eine Stimmung kann man nicht kaufen, die muss man kreieren.

Apropos Vorleben: Hättest Du es akzeptiert, wenn deine Kinder, wie du, die Schule geschmissen hätten?

(lacht) Das haben sie tatsächlich gemacht! Meine Jüngste hatte mit etwa 15 Jahren eine ziemlich große Krise. Erst habe ich sie immer ermuntert, sich anzustrengen und dann realisiert, das hat gar keinen Sinn. Ich habe es ja selbst nicht gemacht. Stattdessen sagte ich: Nimm dir Zeit, zu überlegen. Aber mach genau, was du willst!  Ich schaffe dir den Rahmen dafür – egal, was es ist. Sie konnte es kaum glauben und zwei Tage später hatte sie sich entschieden: Sie wollte in der Schule bleiben, da sie die Struktur von außen brauchte. Aber vom Internat wollte sie auf eine normale Schule wechseln und ihre eigene Wohnung, eigene Verantwortung. Von da an musste ich nie wieder etwas sagen, denn es war ihre Verantwortung. Vorleben ist das eine, Du darfst sie aber nicht künstlich beschützen. Sonst brechen sie aus! Auch mein Sohn hat mit 16 Jahren aufgehört mit der Schule. Er war eine Katastrophe dort und hat schon damals mehr in seiner Musikwelt gelebt. Ich dachte mir, lass ihn mal machen. Heute ist er als Hip Hop- Künstler sehr happy mit dem was er tut. Und wenn ich auf einem seiner Konzerten bin, kann ich kaum glauben, mit welcher Leichtigkeit er das macht.

Dein Patentrezept für die Erziehung: Gib Freiheit und vertraue?

Absolut! Du merkst, wenn etwas künstlich ist und nicht vom Herzen kommt. Meine Kinder sind mein größtes Glück. Vielleicht hat uns auch der Tod der Mutter noch enger zusammengebracht.

Du warst auf Dedon Island, als Du die schreckliche Nachricht erhalten hast. Wie kann man das Schicksal überwinden?

Für mich war das komplett neu. Ich hatte davor keine Erfahrungen mit Verlust und Tod. Der Schock war abrupt, brutal und ein eigener seelischer Zusammenbruch. Du kannst nichts tun, nicht kämpfen, nur dich selbst aushalten und versuchen, zu funktionieren. Im Reisen habe ich den Rückzug gesucht und mir und der Familie die Zeit gegeben, den Tod zu verstehen. Wir haben viele Menschen getroffen und gesehen, wie die damit umgehen. In manchen Kulturen in Asien etwa, versteht man ihn als Erlösung und begegnet ihm fast schon mit Freude. So funktioniert die Umwandlung der Traurigkeit in Dankbarkeit!  Ich denke heute nicht mehr traurig, sondern dankbar zurück. Jeder stirbt zu dem Zeitpunkt, der vorgesehen ist und man darf nicht hadern, so schwer das fällt. Mir persönlich hilft das. Irgendwann musst du auch die Entscheidung treffen: Entweder lässt du dich komplett gehen oder du kämpft und gehst wieder nach vorn, weil du spürst, du hast eine Aufgabe.

Das ist dir gelungen…

Ich habe eine neue Liebe gefunden: Leben heißt auch immer wieder zu akzeptieren, wo man steht. Im Prinzip bedeutet das, die Gabelungen annehmen, die sich ergeben. Das ist daher jetzt mit dem Firmenentzug auch so eine Phase für mich. Ich gehe neue Wege und am Anfang ist das schmerzhaft. Doch den Prozess musst du aushalten. Viele flüchten zurück, aus Angst vor Neuem. Dagegen hilft nur Müßiggang und Stille – was es heute kaum noch gibt. Ich bin jetzt schon gespannt, wie die Generation meiner Kinder damit umgehen wird.

Ein guter Punkt – vor allem beim Stichwort Digitalisierung. Man hat den Eindruck, Jugendliche unterhalten sich nur noch auf Plattformen oder spielen zuhause am Rechner. Die soziale Komponente geht leider mehr und mehr verloren.

Ich bin Fan der Jugend und glaube, sie werden die Welt auf lange Sicht sozial und ökologisch verändern. Die Jugendlichen wollen nicht alle reich und berühmt werden, wie wir früher.

Stichwort Dedon Island. Hier habt Ihr im Paradies ein kleines Paradies geschaffen…

Ein Freund lud uns damals ein, das Resort auf der Insel Siargao zu besuchen, das er gerade aufgebaut hatte. Uns hat die Insel wahnsinnig beeindruckt: Die Menschen lebten wie vor 1.000 Jahren, Reis wurde auf der Straße getrocknet und es wurde noch richtig gepflügt. Und als der Freund sagte, er würde verkaufen, habe ich sofort zugeschlagen – ohne zu wissen, wie sowas überhaupt geht. Urlaub war damals nicht meine Sache, da ich die Hotelwelt einfach künstlich finde. Du kommst an und dir wird erzählt, dass du zwischen acht und zehn Uhr morgens beim Frühstück sein sollst, von zwölf bis zwei Mittag essen darfst und bitte komm bloß nicht zu spät zum Abendessen. Für alles was du machst, musst du unterschreiben und zahlen. Bist immer im Zwang. Doch wollen wir das wirklich? Unser Konzept hingegen: Lasst die Leute Erfahrungen machen! Natürlich in luxuriöser Umgebung, aber mit nur einem Preis – da ist alles drin. Du kannst Ausflüge machen, Kurse besuchen, kochen lernen, Massagen – alles was du willst und wann du willst. Morgens kannst du fischen gehen, mittags mit dem Motorrad zum Markt fahren.

Das klingt fantastisch…

Nebenan haben wir ein Dorf gebaut, wo unsere Angestellten wohnen. Nicht versteckt wie auf den Malediven, sondern direkt daneben. Die Leute, die für uns arbeiten, sollen genauso leben. Jeder ist Teil von allem.

Du kannst dort also alles machen, was du möchtest. Das Prinzip ist in der Praxis schwer vorstellbar?

So geht es vielen: Die kommen an und beobachten erst einmal ein bis zwei Tage, ob das wirklich so ist. Am dritten Tag fangen sie dann an, die verrücktesten Dinge zu tun – oder auch ganz einfache: Sie setzen sich zum Beispiel fünf Stunden mit einem Fischer ins Boot, mit dem sie nicht reden können und sie empfinden es wie eine Erleuchtung. Die unberührte Natur, man ist völlig frei – das macht Dedon Island auch aus. Es gibt nur zehn Häuser, alles ist sehr überschaubar und um die Ecke liegt das Surfrevier Cloud 9. Du kannst hier alles tun, was du willst, brauchst aber erst einmal ein paar Tage, um zu dir zu kommen. Bei Europäern und Amerikanern geht das meist sehr schnell, Asiaten tun sich da schwerer. Aber die Mischung auf der Insel ist so interessant.

Geht es dir genauso?

Wenn ich da bin, ist es wie Zuhause. Jedes Mal lerne ich dazu. Ich bin nicht der Chef, sondern ein Teil davon. Aktuell haben wir einen jungen Manager dort, der das Resort mit einer unglaublichen Euphorie führt. Er hat z.B. im letzten Jahr zusammen mit den Angestellten des Resorts auf freiwilliger Basis eine sehr große medizinische Mission tatkräftig unterstützt, damit die Kinder auf der Insel das erste Mal überhaupt von einem Arzt untersucht werden konnten. Auch mit einem Teil der Einnahmen des Resorts, wollen wir der Gemeinschaft auf Siargao so viel wie möglich zurück geben.

Eine wirklich tolle Idee. Reisen wir weiter nach Ibiza. Deinem Wohnort. Du lebst ruhig in den Bergen im Norden der Insel. Was macht für dich den Reiz aus?

Die Vielfalt und das Komplexe. Ich gehe wandern und treffe Menschen, die seit 30 Jahren in einer Höhle wohnen. Es ist so eine Vielfalt dort, aber auf gleichem Niveau. Du bist Teil des Ganzen und kannst überall eintauchen. Die Leute sind unglaublich tolerant. Einige meckern, St. Tropez würde jetzt nach Ibiza ziehen: Zu teuer, zu reich.  Das geht vorüber. In ein paar Jahren ist Griechenland dran.

Also nur eine Welle?

Genau! Ibiza ist auch bekannt als Partyinsel im Sommer. Das ist aber keine ehrliche Party. Die Leute dröhnen sich einfach weg, was traurig ist. Es gibt so viele unterschiedliche Formen der Bewusstseinserweiterung: Sich mit Menschen austauschen etwa. Viele Unternehmer etwa sind im Hamsterrad drin. Es fehlt ihnen der Dialog und daraus entstehen Fehler. Manche haben auch die Perspektive zu sich selbst verloren. Wenn ich mir anschaue, was ich gemacht habe oder mein Buch lese, dann denke ich im Nachhinein: Wahnsinn! Da liegt eine Geschwindigkeit drin, für die scheinbar die Kraft da war. Es waren tolle Erfahrungen, aber heute komme ich zur Ruhe und gehe einen Schritt weiter.

Dein Tipp fürs Leben?

Früh schlafen gehen und früh aufstehen. Wenn Du im Naturrhythmus lebst, kommst du geistig mit.

Hast Du auf Ibiza Restauranttipps?

Zum Beispiel das „Ses Boques“ direkt am Meer. Die Familie führt das Lokal schon in zweiter Generation und es ist einfach, ehrlich und authentisch. Für mich das beste Fischrestaurant im Kleinen. Sehr überzeugend finde ich auch das Landwirtschaftsprojekt „La Granja Ibiza“ von meinem Freund Claus Sendlinger. Es gibt nur zwölf Zimmer, tolle Veranstaltungen und es ist ganz und gar nicht abgehoben. Erlebt haben sollte man auch das „La Paloma“ in Sant Llorenc de Balafia im Norden der Insel – ein ganz einfaches Lokal im Wintergarten. Immer wieder ein Pflichttermin für mich ist die „Bar Jordi“: Das ist eine ganz einfache Musikkneipe mit lauter und lustiger Musik auf der Hauptstraße zwischen Ibiza Stadt und Sant Josep. Hier isst man Tintenfisch und muss diese Atmosphäre lieben. Ich gehe aber auch gerne in „San Juan“ auf den Markt, wo sich die Einheimischen treffen. Ich liebe die Vielfalt und fühle mich am wohlsten, wenn es natürlich ist.

Hast Du heute noch Bezug zum Fußball?

Ich habe noch Kontakt zu ein paar Kollegen, die mich im Sommer auch besuchen kommen. Ansonsten spiele ich, wenn ich Zeit habe bei den „Legenden“ in Hamburg mit. Auch Jens Lehmann und ich trainieren ab und zu gemeinsam. Dennoch muss ich im Kopf mein Alter akzeptieren. Das hätte ich nie gedacht! Sport ist gut als Ausgleich – insbesondere während der ganzen Reiserei damals. Um das auszuhalten, muss man körperlich fit sein. Aber was wir da früher im Leistungssport gemacht haben, war auch nicht gesund.

Lieber Bobby, in deiner Biographie ist immer wieder vom „Bobby-Faktor“ die Rede: Dem positiven Denken und vorwärts gerichteten Handeln. Wie siehst Du diesen „Faktor“?

Wenn ich mich selbst so reflektiere, dann würde ich sagen: im einfach machen! In Situationen, die mir Angst machen, gehe ich trotzdem nach vorne, statt mich zu verstecken. Einfach machen, was man aus sich heraus spürt. Das sagen die Meisten und tun die Wenigsten! Und bei all den Verlockungen immer bei sich selbst bleiben…

Der Bobby-Faktor eben! Herzlichen Dank für die vielen Einblicke und interessanten Aspekte dieses Gesprächs!

Hat dir dieses Interview gefallen? Dann klicke gefällt mir