Muggi Reiterer - Lifestyle-Insider.com

Muggi Reiterer

INTERVIEW

Der Junior-Chef der Sektkellerei Arunda aus Südtirol führt uns in die Welt der "Méthode Champenoise" ein, verrät, warum seine Mutter der Grund für die Familie war, eine eigene Kellerei zu eröffnen und wieso ein Top-Sekt nun einmal seine Zeit braucht.

16. Dezember 2016

Muggi, erst einmal vielen Dank, dass wir uns hier auf 1.200 Metern in der höchstgelegenen Sektkellerei Europas bei Arunda treffen können! Seit vielen Jahren zählt Ihr zu den Spitzenproduzenten für Sekt der „Metodo Classico“. Was ist die Grundlage für diese langanhaltende Qualität?

Da sind erst einmal unsere Grundweine aus den besten Lagen. Wir verarbeiten einheimische Grundweine aus Terlan, Eppan, Girlan, dem Etschtal bis nach Salurn. Im letzteren ist auch der Blauburgunder beheimatet. Hier kooperieren wir mit verschiedenen Winzern die uns die Trauben und Kellereigenossenschaften, die uns die Grundweine liefern. Wir kennen die Bodenbeschaffenheiten, haben gute Kontrollmechanismen und tiefes Vertrauen in die Winzer. Daneben halte ich auch unser Wissen, um die Materie, sowie die langjährige Erfahrung in der Produktion, für wesentliche Faktoren der Spitzenqualität unserer Produkte. Und zu guter Letzt trägt auch unser Anspruch, sich immer weiter zu verbessern, dazu bei.

Es gibt Euch nun schon seit 40 Jahren. 1976 habt Ihr mit 300 Flaschen angefangen…

…und die waren sehr schnell weg. Die Sektkellerei ist aus dem Gedanken der Deckung des Eigenkonsums entstanden. Meine Mutter hat damals beim Ausgehen mit Leidenschaft gerne Sekt und Champagner getrunken. Frauen lieben ja Perlen jeder Art! Mein Vater hatte zu dem Zeitpunkt schon 10 Jahre Expertise als Önologe für andere Kellereien und Weintechnologiefirmen. Er stammte zwar nicht aus einer typischen Weingegend, aber er war gebildet und hat sich sehr für das Thema interessiert. Mit der Sektkellerei hatte er eine Vision und ist seinen Weg konsequent gegangen. Von Null auf hat er diese Spitzenqualität geschaffen.

Nach so langer Zeit habt Ihr sicher großen Einfluss auf Eure Lieferpartner – etwa auch beim Thema Pestizideinsatz.  Wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen?

Von der Rebe bis zum fertigen Grundwein sind wir 100 Prozent involviert. Spritzmittel-Einsatz, ob biologisch oder biodynamisch produziert wird – das überlassen wir den beratenden Institutionen der einzelnen Aufsichtsorgane. Wir kennen dabei das Umfeld unserer Winzer bestens und verwerten die Weine je nach Herkunft Beispielsweise haben wir auch einen Sekt aus rein biologischem Anbau im Angebot, mit dem wir die Biohäuser beliefern. In diesem Marktsegment sind die Kontrollen und Zertifikate dem deutschen Standard bei Bioland und Abcert angepasst, obwohl wir hier in Italien ohnehin schon eine sehr strenge Gesetzgebung für die Produktion haben. Wichtig ist uns vor allem, dass die Weinberge wieder entlastet und zurück zur Natur finden. Die Natur selber organisiert sich so, dass die Pflanze „Rebe“ auf natürliche Weise beste Qualitäten erbringt. Weniger ist mehr!

Apropos Quantität: Heute habt Ihr eine Jahresproduktion von 100.000 Flaschen…

…aufgeteilt auf zehn verschiedene Produkte. Unser Leaderprodukt ist der Arunda Brut. Er macht fast die Hälfte unseres Umsatzes aus und ist als Basisprodukt Türöffner für andere Sekte: Vor allem Rosé-Sekte gewinnen derzeit an Popularität. Wir sind viel unterwegs, um mit anderen den Austausch zu pflegen. Dabei geht es nicht darum, ein Produkt zu kopieren. Wir haben unsere eigene Kreation. Aber hinsichtlich der Vermarktung ist das schon sehr interessant!

Stichwort Champagne. Ihr stellt Eure Sekte nach der traditionellen „méthode champenoise“ her?  

Ja, wir nutzen das traditionelle Gärverfahren, wie es vor etwa 300 Jahren in der Champagne von den Mönchen rund um das Kloster von Dom Perignon erfunden wurde. Wir stellen nach der gleichen Methode her, dürfen uns aber nicht „Champagner“ nennen, denn dieser Namen ist an das Gebiet der Champagna gekoppelt.

Der Sekt liegt bei Euch gute 24 Monate auf der Hefe. Das ist doch sicher deutlich aufwändiger, als bei anderen Herstellern, die nur 9 Monate vergären?

Top-Sekt braucht mindestens 15 Monate auf der Hefe, das sind unsere Produktionsvorschriften in Südtirol (bei Riservas sind es 36 Monate). Bei uns liegt er je nach Produkt zwischen 24 und 36 teilweise auch bis zu 60 Monate. Auch nach der Enthefung braucht er noch Ruhezeit, bis er sich richtig präsentiert und seinem Namen „Arunda“ gerecht wird. Der Namen ARUNDA kommt aus dem Vinschgau hat rätoromanischen Ursprung. Auch ein Fluss, eine Alm und ein Berg heißen hier so.  

Wie verändert sich der Geschmack des Sekts, wenn er länger auf der Hefe bleibt? Wird er etwa kräftiger, intensiver?

Er wird deutlich harmonischer. Beim Sekt ist das wie bei einem Menschen, der zu früh aufgestanden ist und erst einmal ein bisschen durcheinander ist. Der braucht auch eine gewisse Zeit, bis er die persönliche Harmonie gefunden hat. Wir verarbeiten Chardonnay, Weiß- und Blauburgunder. Durch die längere Reifung finden diese Weine besser zusammen und geben insgesamt ein runderes Bild ab.

Euer Weinkeller wurde im Berg mehrstufig unterirdisch angelegt. Das war sicher eine große Herausforderung?

Absolut – erst in den achtziger Jahren waren wir soweit, dass wir Sicherheiten von der Bank und die erforderlichen Genehmigungen der Gemeinde hatten. 1985 wurde nach einem langen Winter gebaut. Die Bauarbeiten zogen sich hin. Den Keller hat man dann von außen abgedeckt ohne Dichtplane und wieder begrünt. Nach einiger Zeit haben wir festgestellt, dass der Keller zu feucht war – und so musste wieder aufgebaggert und neu isoliert werden. 1990 und 2014 wurde wieder weitergebaut. Heute ist fast das gesamte Grundstück unterkellert. Der erste Keller, wo heute Verkostungen stattfinden, war früher übrigens ein Stall.

Ihr habt im Weinkeller die altbewährten Rüttelpulte. Setzt Ihr die noch ein?

Natürlich! Das ist bei uns kein Showkeller, hier wird tatsächlich noch gearbeitet und das seit jeher per Hand. Das Rüttelpult kommt aus der Champagne und wird benötigt, um die Hefe die zuerst in der Flasche liegt, ganz langsam in den Flaschenhals zu befördern. Die Flaschen für die zweite Gärung werden zunächst mit einem Plastikkorkeinsatz und Kronkapsel verschlossen. Auf den Rüttelpulten werden sie dann im Uhrzeiger ganz langsam gedreht. Somit rutscht die Hefe in Richtung Flaschenhals, wo sie dann vereist wird um sie von der Flasche zu entfernen. Ca. ¾ der Produktion wird händisch ab gerüttelt, den Rest macht eine technische Einrichtung.

Stimmt es, dass Ihr Euch zweimal im Jahr einschließt, um an Euren Cuvées zu erarbeiten?

Einige Male setzen wir uns in der Familie zusammen und probieren die Rohsekte aus dem Vorjahr, wie sie sich entwickelt haben. Einmal im Jahr verkosten wir die Grundweine. Das erfordert viel Ruhe und Konzentration und muss perfekt sein. Dieser Einsatz zählt zu unseren wichtigsten Aufgaben. Jeder in der Familie hat sein Gewicht. Mein Vater als Önologe hat natürlich den größten Einfluss, dennoch ist es eine Teamentscheidung, bei der alle mitwirken.

Was sind Eure Kriterien?

Wir achten darauf, dass wir tatsächlich auch Sekte produzieren, die bekömmlich sind und einladen, auch einmal ein oder zwei Gläser zu trinken. Die Sekte sollten vielen Menschen schmecken, auch wenn es nicht immer Weinexperten sind. Wir bleiben beim gesamten Sortiment unserer herben Linie treu und machen keine Kompromisse in Richtung milder Produkte. Die Dosage ist bei uns sehr eng bemessen, um die ursprünglichen Merkmale der Traube bzw. des Grundweines zu erhalten. 

Der Brut ist Euer Basis-Produkt, der Rosé seine Steigerung. Weitere Highlights aus Eurem Sortiment?

Da wäre der „Extra Brut“ – ein Dosage Zero also ohne Restsüße. 80 Prozent Chardonnay und 20% Blauburgunder ist seine Zusammensetzung, bei diesem Sekt merkt man die önologische Erfahrung des Kellermeisters!

Es gibt auch ein Cuvée, das nach Deiner Mutter benannt ist?

Ja, das ist Cuvée Marianna, der Grundwein Chardonnay reift im kleinen Holzfass also im Barrique.. Im Cuvée sind 80% Chardonnay und 20% Blauburgunder als Weißwein ausgebaut und es hat meistens zwischen 4 bis 5 Jahren Reifung auf der Hefe.

Interessant, wie Ihr immer Neues entwickelt.  Ist das auch ein Grund für Eure Reisen in die Champagne?

Wir haben immer viel Freude in der Champagne und sehr gute Kontakte dort. Es braucht viel Einfühlungsvermögen, um auf Augenhöhe mit den Önologen der Champagnerhäuser zu referieren. Wir probieren dort gerne, lassen uns inspirieren, sehen die Marktentwicklung und sammeln neue Ideen.

Welche Tendenzen siehst Du?

Einerseits Prestigesekte, andererseits die Roséwelle. Man muss selbst viel verkosten, um die Qualität des eigenen Produkts einschätzen zu können. In der Champagner sieht man schon Spitzenhäuser. Wir in unserem Keller bieten individuelle Führungen an, um eine gute Information zu geben.

Heißt: Ihr macht vor Ort bei Euch im Weinkeller persönliche Führungen?

Ja! Am besten meldet man sich ein paar Tage vorher telefonisch an. In den Sommermonaten, wo sehr viel los ist, kann man auch einfach so vorbeikommen. Wir zeigen den Keller, weihen die Leute in unsere Arbeit ein, erzählen von der Geschichte und erklären die Sektwelt. So eine Führung dauert etwa 45 Minuten bis zu einer Stunde. Fixe Führungen gibt es mittwochs um 10 Uhr und donnerstags um 11 Uhr.

Viele verbinden Sektkellerei und Weinberge mit Romantik – aber in der Tat steckt harte Arbeit dahinter?

Absolut! Aber es ist Arbeit, die Spaß macht. Die Romantik kommt aus der Historie. Sekt wurde seinerzeit für Königshäuser und Adelige und auch für die Zaren produziert und nur zu bestimmten Anlässen und Festivitäten serviert.

Wenn Du mal nicht deinen eigenen Sekt trinkst, was kommt dann bei dir auf den Tisch? Hast Du bestimmte Rot- oder Weißweine, die du empfiehlst?

Mit meinen Freunden aus der Gastro-Szene gehe ich gerne nach Bozen ins „Laurin“, eine Sekt- und Champagnerbar. Ich mag Blanc des Blancs oder einen Paul Rocher – generell aber eher von den kleinen Champagnerhäusern. Bei den Rotweinen stehe ich auf schwere Sorten aus dem Piemont, Spanien oder Frankreich. Zum Rotwein brauche ich jedoch Muße, trinke ihn nur nach der Arbeit. Aber auch ein kühles Bier oder Radler kommen bei mir ab und zu auf den Tisch.

Wenn Freunde von außerhalb auf Besuch zu Euch kommen, was empfiehlst Du?

Hier in Mölten gehen wir mit Freunden und Kunden auf 1.600 Meter zum „Lanzenschuster „ in Jenesien und „Waldbichl“ in Vöran. Oder wir fahren nach Hafling, zum Beispiel ins Miramonti. Ich empfehle generell nur Lokale, von denen ich auch selbst überzeugt bin. Das Restaurant Miil in Tscherms ist so ein Betrieb. Es liegt in einer alten Mühle, man kann den Keller besichtigen und es gibt viel Kunst und Kultur im Weinberg. Wer gerne gut Fleisch ist, etwa japanisches Rind, ist hier richtig. Ansonsten isst man auch am Ritten bei Bozen im Patscheider Hof oder im Geierhof sehr gut. Den Signaterhof kennt man aus dem Fernsehen – immer eine gute Adresse, wo man wunderbar sitzen kann. Wer in Meran weilt, sollte mal beim Kirchsteiger in Völlan vorbeischauen. Hier kocht ein „Haubenkoch“. Exquisite Sterneküche bietet auch das Schöneck im Pustertal. Sehr gerne bin ich zudem im Restaurant „Zum Hirschen“ in Vilpian – traditionell und mit gutem Preis-Leistungsverhältnis. Egal was man sucht, hier in Südtirol findet man’s…

In der Tat! Von Südtirol nach Deutschland. Kann man Arunda Sekte auch in Deutschland kaufen?

Ja, zum Beispiel über den Online-Handel „Vinizia“. Die vertreiben sehr gute Weine Italiens. Ansonsten findet man uns in München in der Weinhandlung Bergwein in der Nähe vom Gärtnerplatz und natürlich hier in Südtirol in ausgewählten Enoteken. Wenn man zum Beispiel von Bozen aus in Richtung Eggental fährt, kommt man in die Handwerkerzone. Dort liegt der „Weinstore“ mit wirklich guter Auswahl oder in Meran im Meraner Weinhaus – PUR.

Euer Hauptabsatz ist dementsprechend in Italien?

Ja, das stimmt! Wir haben aber auch viele Kunde aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wir wollen in Richtung Asien und Amerika weiter expandieren. Hier braucht man aber unbedingt eine gute Verbindungsperson vor Ort, die von dem Produkt überzeugt ist.

Italien gilt als das Land des Prosecco und des Franciacortas. Wie würdest Du in diesem Umfeld Eure Kellerei einordnen?

ARUNDA Sekt zeichnet sich durch seine Mineralität und Fruchtigkeit aus. Wir haben andere klimatische Bedingungen und Böden als im Prosecco-Anbau oder in der Franciacorta. Sekt ist ein Prickler, gemacht für Leute die etwas Besonderes suchen. Am besten macht man diese Erfahrung bei einer Blindverkostung. Oder man kommt zu einer Führung, lässt sich‘s erklären und kann später verstehen, warum manche Flaschen mehr kosten, als andere.

Apropos Kosten: In welcher Preisrange bewegt ihr Euch?

Zwischen 17 und 23 Euro für die Flasche. Der Prestige Cuvée ist noch ein klein wenig teurer. Aber wenn man weiß, dass der Sekt zwei bis drei Jahre auf der Hefe liegt, handgerüttelt ist und aus besten Grundweinen hergestellt wird, dann rechtfertigt das den Preis.

In der Tat! Zu guter Letzt: Gibt es eine Frage, die du gerne gehört hättest?

Vielleicht zum Thema Passion und Leidenschaft! Jede Arbeit benötigt das und ganz besonders unser Familienbetrieb. Daher machen wir auch alle Präsentationen selbst. Nur so kann man den Zauber vermitteln. Sekt ist Lebensfreude. Hier bei uns ist jeder willkommen, ein Glas Sekt zu genießen!

Herzlichen Dank, lieber Muggi, für dieses interessante Gespräch!

 

 

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